Mittwoch, 27. November 2013

Zeitraffer

Da ich es nicht schaffe (und wie ich mich kenne, auch nicht mehr schaffen werde), wirklich pünktlich im Jetzt anzukommen, werde ich jetzt ganz dreist die letzten drei Wochen überspringen. Sehr viel passiert ist nicht in dieser Zeit, schon, aber ich will mich jetzt nicht mehr auf diese Kleinigkeiten versteifen.

Ich habe Raph kennengelernt, einen deutschen Volontär, der auch in Eldoret lebt, und freue mich, jemanden zu haben, mit dem ich mich manchmal am Nachmittag treffen und auch Ausflüge in die Umgebung machen kann. Unsere Gespräche führen meist vom Hundertsten ins Tausendste und so vergehen die Stunden sehr schnell. Außerdem versorgt er mich mit guten Büchern, hihi.

Mir wurde meine Tasche mit viel Inhalt gestohlen, dieses Kapitel ist damit hoffentlich auch abgehakt.
Dieses Erlebnis hat mich wiederum die Freunde, die ich hier habe, schätzen gelehrt, vor allem Mercy, die mich selbstverständlich bei sich wohnen ließ (der Räuber hat auch meine Schlüssel mitgenommen) und mich mit Kleidung und Essen versorgte. Das ist Kenia.
Der Wachmann an unserem Gate hat fünf Meter neben mir seinen Rausch ausgeschlafen, als man mir mein Zeug genommen hat, und die Polizisten auf dem Gelände haben mich zwar schreien hören, aber haben sich dann doch lieber wieder ihrem Damenbesuch zugewandt. Das ist auch Kenia.

Ich verstehe mich mit den älteren Mädchen so gut wie noch nie, fühl mich oft wie die große Schwester, und am Abend sitzen wir noch im Schlafsaal und reden über Gott und die Welt und ich hör mir ihre Jungsprobleme an. Es ist manchmal schön, zu sehen, dass sie trotz ihrer Vergangenheit doch auch die selben Teenagerprobleme haben, wie die Leute daheim.
Ich habe falsche Haare und Haarpfelegemittel gekauft, seitdem ist der Girls' Compound ein Schönheitssalon, auch ich hab mein Haar geflochten bekommen.
Das Wetter wird windig und trocken, es wirbelt vie Staub herum und auch die Menschen wirbeln auf. Es passieren stämdig schräge Dinge, es wird in das Areal des Rescue Centres eingebrochen, im Centre selbst wird ständig gestohlen, die älteren Jungs treiben ihre illegalen Geschäfte und oftmals sieht man fremde Menschen am Zaun rumlungern, die kleinen Mädchen beim Spielen betrachtend oder verstohlene Blicke mit einem unserer "Kinder" austauschend.
Die Zahl der Kinder hier hat sich halbiert.
Die Achtklässler zittern vor den Ergebnissen ihrer K.C.P.E.s, die ihnen den Aufstieg in die High School ermöglichen.
Es gib immer wieder Spenden und wir haben mehr Gemüse, was den faden Geschmack des Githeris oft durch Hinzufügen von Paprika oder anderem atwas aufpeppt.

Am Samstga geht's nach Mombasa für eine Woche, und auch, wenn ich mich freue, will ich eigentlich nicht weg von hier.
Ich merke, dass sich hier eine ganz andere Seite in mir hervorkehrt, nicht, dass ich sie zuhause nicht gehabt hätte. Aber das Umfeld lässt mehr diese andere Sarah zu, und ich fühl mich sehr wohl mit ihr. Wohler oft, als ich mich daheim mit mir gefühlt habe. Da ich die deutschen Worte dafür nicht wirklich finde:
I am settled here.

Ohnmacht

Nach Emmas Besuch drohte der Frieden im Rescue Centre plötzlich zu kippen. Erfolgreich ignorierte Anzeichen erhielten nun ihre Bestätigung. Schon am Montag, da ich Emma verabschiedete, fand ich auf der Wiese vor dem Eingang zum Schulgelände ein Matatu voll mit Kindern, die alle zurück nach Hause gebracht werden sollten. Ich war erstmal geschockt, bei der morgendlichen Parade dann eröffnete Margaret den Kindern, dass sie ab heute mit dem Heimfahren rechnen müssten. Danach hielt Mercy eine Ansprache, dass die Kinder hier ihre Zeit nicht verschwenden sollten, dass es das nächste Jahr keine reguläre Schule mehr gäbe und dass zuhause immer noch der beste Ort sei. Ich musste mich sehr anstrengen, nicht mitzuheulen mit den Kindern. Ich floh stattdessen zurück ins Haus, um meinen Gefühlen dort freien Lauf zu lassen. Emma stand mir mit heißem Tee und beruhigenden Worten zur Seite. Den Vormittag verbrachte ich mit Emma, am Nachmittag war ich dann wieder bei den Kindern und hatte alle Hände voll zu tun damit, herauszufinden, warum das jetzt alles plötzlich passierte, und den Kindern zu erklären, dass man sie hier nicht wegschickte, weil man sie nicht mehr haben wollte. Das war vo allem für jene unter ihnen, die jahrelang hier gelebt hatten, sehr schwierig zu begreifen.

Die Lage war folgende:
Das Rescue Centre wurde vom DCO, dem "District Children's Office", gegründet und ist eine staatliche Einrichtung. Demnach muss das Management des Rescue Centres Befehlen von oben umgehend Folge leisten. Viele Kinder, die hier leben, haben Verwandte, die ihre Verantwortung einfach beim Rescue Centre abgeladen haben (ob die Kinder es allerdings zuhause besser haben als hier, sei dahingestellt). Das DCO hat in den letzten Wochen die Straßen "gesäubert" und alles Minderjährige, das dort gefunden wurde, eingesammelt, also wollten sie Platz und forderten die sofortige Repatriierung sämtlicher Kinder, die nicht unbedingt hier bleiben müssen.

Zu Anfang machte sich das DCO selbst daran, diese Kinder nachhause zu bringen (das heißt, sie haben sie in ihre alte Nachbarschaft gefahren und mit der Anweisung, nachhause zu gehen, irgendwo abgesetzt). Die Kinder mussten teilweise den ganzen Tag vor verschlossener Türe warte, nur um am Abend verwunderten Tanten, Onkeln, Geschwistern, Großeltern zu erklären, was sie selber nicht verstanden. So fanden sich an den nächsten Tagen verwirrte Eltern mit Kindern im Centre ein.

Ich hatte mich emotional so sehr auf die Kinder eingelassen, dass ich einfach nur das Gefühl hatte, mir würden meine Kinder weggenommen, am Dienstag konnte ich meine Verzweiflung vor den anderen nicht  mehr geheimhalten und Irene brachte mich mit zu besorgten Fragen dann dazu, vor ihr in Tränen auszubrechen. Ich hatte das Gefühl, etwas sehr schreckliches gehe hier vor sich, und ich konnte nichts weiter tun als zuzusehen. Das tat weh, es machte mich wütend, hilflos, verzweifelt.

Dass ich am Wochenende dann nach Nairobi musste, um mein Visum zu verlängern, passte mir gar nicht, ich hatte das Gefühl, viel zu viel ungeregelt liegenzulassen.

Mittlerweile hat sich die Lage beruhigt, die Sozialarbeiter bringen die Kinder selber heim, sie werden vorbereitet, es wird ihnen erklärt, es läuft friedlich und mit Akzeptanz ab. Auch ich habe die Gründe verstanden und mich wieder ein wenig distanziert - in meinem Kopf. Ich habe mein Verhalten deshalb nicht geändert und habe einen ebenso herzlichen, familiären Umgang mit meinen Kindern, wie zuvor, aber ich weiß, dass ich sie nicht für immer haben werde. Ich habe gelernt, loszulassen.

Samstag, 16. November 2013

Ein Spaziergang in die Stadt

Den Weg in die Stadt zu Fuß zurückzulegen, dauert ungefähr 20 Minuten. Ich verlasse das Rescue Centre und suche den schlammfreiesten Weg über die unbefestigte Straße, den ich finden kann, vorbei an einer Kirche aus Wellblech, die dort innerhalb von drei Tagen fast dirket vor das Tor des Rescue Centre gepflanzt wurde. Nun kann ich an den Wochenenden nachts die Wachten hören, die Freitag- und Samstagabend beginnen und bis am nächsten Morgen dauern, ein eher zweifelhaftes Vergnügen. Ich überquere die Gleise, deren Zustand nicht vermuten ließe, dass sie noch befahren werden, trotzdem muss man machmal warten und die nach Rauch stinkende fette Raupe vorbeiziehen lassen, die drei- bis viermal am Tagträger vorüberrollt. Der Zug fährt so langsam, dass ich jedes Mal, wenn sie passieren sehe, Lust habe, einfach aufzuspringen und mitzufahren, nur ein kleines Stückchen, ich bin dann aber doch immer zu feige.
Die Luft ist erfüllt von fernem Hämmern und Schlagen, dem Brummen laufender Motoren, dem Blöken von Schafen und dem Muhen von Kühen. Der Duft nach dem zwischen den am Straßenrand wachsenden Büschen wuchernden Kraut und dem Gras wird vom Geruch nach Biomüll, Kuhdung und Urin durchzogen, inhaliert man im einem Moment noch die gute Luft, verschlägt es einem im anderen Moment den Atem.
Über die nach Regen mit Wasser gefüllten Schlaglöcher hüpfend erreiche ich schnell die teilweise asphaltierte Straße, und ich nähere mich einer Art Komplex (die afrikanische Version!), in dem man sowohl Wohnungen als auch Shops findet. Dieser Platz heißt  "Chicago" und wenn man will, kann man hier fast alles kriegen, was man zum Leben braucht. Es gibt drei Schneider, drei Mini-Shops, einen Laden, der Milch und Eier verkauft, einen Metzger, einen Mechaniker, zwei Frisöre und ein Hotel (die Kenianer sagen zu jedem Platz, an dem man essen kann, "Hotel"). Außerdem bieten an der Straße viele Verkäufer Gemüse und Obst an, hauptsächlich Tomaten, Zwiebeln, Avocados, Sukumawiki, Managu, Kunde, Seveve, Kartoffeln, Mangos und Bananen. Sukumawiki, Managu, Kunde und Seveve sind alles Grüngemüse, ähnlich Spinat oder Mangold, das mit Zwiebeln und Tomaten angebraten und gedünstet und gemeinsam mit Ugali gegessen wird. Ich liebe all dieses Grünzeug heiß. Leute, die ich nicht kennen, rufen meinen Namen und grüßen mich. Ich grüße zurück und wundere mich.
Stimmengewirr, das Surren der Nähmaschinen, das Aneinanderschlagen der Töpfe, das Brutzeln der Kartoffeln im heißen Fett und das Knacken der Maiskolben über dem Feuer begleitet mich bis zu der Kurve, an der die Matatus von Mwanzo angerast kommen und Richtung Stadt fahren. Ich gehe und sauge die Welt in mich auf. In Chicago sind die Menschen schon an mich gewöhnt und wissen, dass ich es hasse, "Mzungu" genannt zu werden.
Nun betrete ich den Trampelpfad und gehe durch die Wiese vorbei an Häuserreihen, um zum West-Market zu gelangen, den ich durchquere, um in die Stadt zu kommen. Ich erreiche ein Straße, eine gute Straße, die Freitags voll ist mit Menschen, da das der Markttag ist. Kinder rufen selbt von weit "Mzungu, how are you?" und ich rufe zurück "Fine.", und sie kichern und freuen sich. Ich habe weniger Probleme damit, von Kindern "Mzungu" genannt zu werden.
An Freitagen kann man am West-Market alles kaufen. Kleidung, Bettwäsche, Unterwäsche, Fisch, Fleisch, Gemüse, Obst, Schuhe, Elektrogeräte, Töpfe, Geschirr, Besteck, alles eben. Die Menschen nehmen den Weg sogar von Nairobi auf sich, um auf diesem Markt ihre Ware anbieten und um den Preis feilschen zu können. Vor allem als Weißer braucht man Zeit und gute Laune, um hier etwas zu kaufen, da die Hautfarbe den Preis oft verzehnfacht und man lange Diskutieren muss, um nicht über den Tisch gezogen zu werden. Der Geruch nach Fisch wechselt sich mit Abgasen, Frittierfett und Müll ab, von überall hört man die Rufe der Verkäufer, "Mia moja, mia moja", "Mia mbili, mia mbili", "Tu hamsini leo, tu hamsini" (das sind die Preise "100, 100", "200, 200", "Heute nur 50, nur 50"), und ich werde von "Gsssss, gsssss, Madame, Mzungu, Hey, How are you" verfolgt, die Leute versuchen, meine Aufmerksamkeit zu wecken. Mittlerweile höre ich gar nicht mehr hin und ignoriere all die Laute um mich herum.
Links und rechts am Straßenrand sind die ganzen Stände aufgebaut, und in der Mitte hunderte Menschen, ein Durchkommen ist oft schwer. Verkäufer schieben ihre Wägelchen durch die Menge und bieten Zuckerrohr, Orangen, Bananen und Mangos an.
Ich habe meine Tasche immer vorne und eine Hand darauf. Die Leute haben begonnen, Taschen und Rucksäcke mit Rasierklingen aufzuschneiden und dann auszuräumen. Mir ist noch nie etwas Derartiges passiert, aber da selbst meine kenianischen Freunde immer wieder bestohlen werden, bin ich sehr vorsichtig. Immer wieder kann man den Geruch von Marihuana ganz deutlich erschnuppern, und ich frage mich, woher er wohl kommen mag, da ich niemanden rauchen sehe. Gras ist hier extrem billig und wächst in manchen Gegenden wie jedes andere Kraut einfach am Straßenrand. Es gibt immer wieder das Bestreben, es zu legalisieren, im Endeffekt ist es aber egal, da es keinen juckt, wenn man kifft. Gras, Kleber, Miraa und selbstgebrauter Alkohol. Es gibt viele Arten hier, sich zu betäuben oder aufzuputschen und sich der Illusion hinzugeben, so der Armut zumindest für ein paar Stunden entfliehen zu können.
Gerade in der Stadt sieht man heruntergekommene Menschen, eine Flasche mit dem gelblichen Kleber unter die Nase pressend und mit geschlossenen Augen tief einatmend. Wie sie diese stinkende Flüssigkeit so nahe an die Nase halten können, ist mir ein Rätsel.
Miraa (zu Deutsch Kath) wird gekaut. Es sind Blätter des Kathstrauches, die angeblich sehr bitter schmecken sollen. Die Blätter werden oft zusammen mit Kautabak konsumiert. Man braucht viel Wasser oder Saft, da Miraa dem Mund die ganze Flüssigkeit entzieht. Es ist keine harte Droge, die Wirkung ist vergleichbar mit Koffein, oft wird es auch gekaut, da es Hungergefühl unterdrückt. Zu viele Blätter allerdings führen zu Benommenheit und Müdigkeit, oder sogar Vergiftungen, die Magenkrämpfe und Erbrechen zur Folge haben.
Der selbstgebraute Alkohol ist ein ziemlich großes Problem hier. Er ist sehr billig und versetzt den Trinker sehr schnell in einen Rauschzustand. Dass dieser Alkohol sehr große Schäden im Körper anrichtet, ist naheliegend. Ich habe diesen Alkohol selber noch nicht probiert und es ist jetzt auch keines meiner Ziele. Ich habe allerdings einen Vodka probiert, der 100 Bob gekostet hat für die Flasche, und er schmeckte wie Nagellackentferner. Zu sehen, welch große Probleme die ganzen Rauschmittel hier im Land machen, und in welche Armut die Sucht ganze Familien stürzen kann, hat mir die Lust am Alkohol aber auch gänzlich genommen.

Ich erreiche wieder die Straße, auf der ich schon zu Beginn gegangen bin, deren Kurve ich aber durch den West-Market abgekürzt habe, und bin nun schon fast am Highway angelangt, auf dem man auf direktem Wege von Nairobi nach Uganda gelangen kann.
Gerade an schwülen und warmen Tagen wird es ab jetzt anstrengend. Die Abgase der Auto stinken unheimlich und verursache Kopfschmerzen, es ist laut, ständig wird gehupt, die Straßen und Gehsteige sind voll voll voll. Den Highway zu überqueren ist ein spannendes Unterfangen, weil es einem Schlängeln durch fahrende Autos gleicht, es gibt zwar einen Zebrastreifen (einen!), aber der ist auch jedem egal.
Ist es trocken und windig, hat man ständig Staub in den Augen, und trägt man keine geschlossenen Schuhe, bemerkt man die furchtbar dreckigen Füße, sobald man wieder zuhause ist. Die Stadt ist in ständiger Bewegung, es herrscht geschäftiges Treiben. Ich gehe hinter Menschen und es ist nicht genug Platz, sie zu überholen, und ich verliere langsam die Geduld, weil ich diesen gemächlichen Gang, mit dem sich die Leute langsam vorwärts bewegen, überhaupt nicht mag. Bin ich mit Kenianern unterwegs, laufe ich ihnen nicht selten davon. Auf den Gehsteigen kann man den Kleber zum Schnüffeln kaufen, und den selbstgebrauten Alkohol, an ausgewählten Stellen ist auch das Miraa erhältlich. Überall wird einem angeboten, die Schuhe putzen zu lassen. Ich bewege mich entlang des Highways, um dann in eine Seitengasse anzubiegen. Hier ist es plötzlich viel weniger laut, und es brauchte lange, bis ich mich hier nicht mehr unwohl gefühlt habe. Die Gassen sind eng und es herrscht nicht dieses Treiben, es verschlägt weniger Menschen hierher. Man findet die Hotels (Imbisse und Cafés) an den unerwartetsten Stellen. Die Shops, die es hier gibt, wollte ich anfangs ein wenig aus Sturheit nicht als Geschäfte bezeichnen, da es einfach keine Geschäfte sind, wie sie es in Österreich gibt. Aber man kann hier Dinge viel günstiger bekommen als in den Supermärkten, und ich habe auch das Gefühl, damit die Bevölkerung mehr zu unterstützen, als wenn ich in einer großen Supermarktkette einkaufen gehe. Nachdem ich mich also durch mehrere enge Gässchen gestohlen habe, erreiche ich schlussendlich mein Ziel.

Emma's Besuch

Emma's ersten Besuch in Eldoret möchte ich einfach einen eigenen Post widmen, da Emma ein sehr wichtiger Mensch für mich geworden ist und ich das Wochenende mit ihr sehr genossen habe.

Emma kam am Freitag, 1. November, in Eldoret an. Ich holte sie also ab und wir machten uns auf den Weg zum Resce Centre. Ich hatte schon viel von ihr erzählt, also waren meine Kollegen gespannt darauf, ein Gesicht zu dem Menschen zu bekommen, von dem sie immer hörten. So machten wir erstmal eine große Vorstellungsrunde und gingen dann zu den Kindern, die sich nicht weniger freuten, einen Besucher zu haben.

Freitagabend dann gingen wir zum Inder, der so richtig richtig gut ist, und dessen Preise verglichen mit Österreich niedrig und hier echt hoch sind. Also mit dem Geld, das dort eine Mahlzeit kostet, könnte ich in einem kenianischen Lokal sicher achtmal satt werden. Aber er ist die umgerechnet sechs Euro (für Vor- und Hauptspeise) echt wert. So verbrachten wir einen netten Abend mit vorzüglichem Essen. Als wir uns gegen neun auf den Heimweg machten, sah ich das erste Mal ein ganz anderes Gesicht der Stadt. Normalerweise war ich nie nach Einbruch der Dunkelheit alleine unterwegs, wieso sollte ich auch. An diesem Freitag gingen wir also hinaus auf die mit jungen Leuten bevölkerte Straße und die Stimmung war so richtig gut und locker. Ich genoss die Atmosphäre, die mich irgendwie sehr an Wochenendabende in Österreich erinnerte.
Zuhause angekommen, machten wir uns daran, Hostels in Mombasa zu suchen und unseren Aufenthalt zu planen. Das erfüllte uns beide mit großer Vorfreude.
Den nächsten Morgen ließen wir sehr entspannt angehen, gegen Mittagszeit machten wir uns auf in die Stadt, um Perlen für meine Kinder zu kaufen.
Dann versorgten wir uns mit Lebensmitteln und einer DVD und machten uns auf den Heimweg.
Unsere Einkäufe sicher verstaut gingen wir auf den Hügel direkt neben meinem Projekt um dort zu picknicken. Dort oben ist es wunderschön und ganz Eldoret liegt einem zu Füßen, man hat einen schönen Ausblick auf die Landschaft rund um die Stadt und zu seiner Rechten kann man Mount Elgon bewundern.
In dieser Idylle verbrachten wir den ganzen Nachmittag und holten uns beide einen ziemlichen Sonnenbrand.
Als wir zurückkamen, sah ich gerade Immanuel und Christopher, zwei meiner Kinder hier, aus einem Auto aussteigen, und Maggie erklärte mir, dass sie heimgebracht werden hätten sollen, die Mutter aber weggelaufen sei. Ich hatte mit Emma genug Ablenkung, um nicht über das nachzudenken, was ich da gesehen hatte, da ja auch im Endeffekt niemand heimgegangen war. Es war jedoch der Anfang von etwas, das mich bald sehr beschäftigen sollte.
Am Abend kochten wir Kokos-Süßkartoffel-Kürbis-Risotto und kamen gar nicht mehr raus aus dem Schwärmen für das köstliche Abendmahl, das wir uns da gezaubert hatten. Es war wirklich gut. Wäre ich nicht zu faul und zu sparsam, bis in die Stadt zu fahren, um die Zutaten zu kaufen, würde ich mir das wohl öfter kochen. So gibt's meistens Ugali mit Sukuma oder Reis mit Tomaten und Avocado, wenn ich nicht im Projekt oder bei Freunden esse.
Den Abend ließen wir dann mit einem Film ausklingen, den ich nur weiterempfehlen kann, "Sometimes in April".
Am Sonntag nutzten wir die leeren Straßen, da am Vormittag jeder in der Kirche ist, und gingen in ein Internetcafé, um unsere Reise nach Mombasa endgültig zu buchen und auch Sansibar zu organisieren zu beginnen. Das Mittagessen ließen wir ausfallen, stattdessen machten wir am Nachmittag Matoke-Crisps (Matoke sind Kochbananen), die uns ebenfalls gut gelangen und plauderten ein wenig mit Maggie, die sich zu uns auf die Stufen setzte.
Am Abend zog es uns noch einmal zum Inder, und es war sogar noch besser als beim letzten Mal.

Montagmorgen ging ich pünktlich um halb 8 zur Arbeit, um zu fragen, ob jemand meine Stunden übernehmen könne. Ich fand schlechte Stimmung und einen Bus voller Rescue-Centre-Kinder vor. Nach einigem Fragen wurde mir erklärt, dass die Regierung die sofortige Repatriierung vieler Kinder angefordert hatte, weil sie den Platz im Centre für neue Kinder brauchten. Das war erst mal ein Schock, und ich war froh, dass Emma noch da war, da ich ziemlich von der Rolle war. Alles kam so schnell und ohne Vorwarnung. Aber Emma war eben noch da, und ich hatte Ablenkung. An diesem Tag kamen Mitarbeiter eines Schönheitssalons, um den Kindern kostenlos die Haare zu flechten und die Nägel zu lackieren, ich ging also nicht sehr ab.
Emma und ich fuhren in die Stadt und hatten Brunch in dem irischen Restaurant, das hier meine Begierde nach europäischen Essen stillen könnte, wenn sie mich mal überkommt.
Zur Mittagszeit verabschiedeten wir uns.

Mittwoch, 13. November 2013

Kurztrip nach Kisumu und danach

Am nächsten Wochenende, 26. - 27. Oktober fuhr ich nach Kisumu. Eigentlich wollte ich überhaupt gar nicht weg, da ich gerade so unheimlich glücklich und zufrieden war mit allem. Aber ich hatte mich schon versprochen.
Und Kisumu war den Besuch auch definitiv wert! Denn jetzt weiß ich, dass ich da noch einmal hinmöchte.
Auch die Leute, mit denen ich mich dort traf, waren verwundert über meine Leichtigkeit.
Finn dückte es so aus: "Du scheinst ja richtig dahinzuschweben. Lass mich mal eine Runde mitschweben."
Und tatsächlich schwebte ich.

Über Kisumu kann ich leider noch nicht recht viel sagen, da es allerdings nur zwei Stunden von Eldoret entfernt ist, besteht die Möglichkeit eines erneuten Besuchs ohne größere Schwierigkeiten.

Von Kisumu heim begleitete mich Elisabeth, eine Volontärin, umd ein paar Tage bei mir zu bleiben. Ich war so froh, wieder zuhause zu sein. Die Woche war trotzdem eine Herausforderung, die Evaluation-Tests stadnen an, eine Art Vorbereitung auf die Endjahresprüfungen. Nun wurde mir nichts erklärt, sondern einfach ein Packen Zettel in die Hand gedrückt, mit der Anweisung, in eine klasse zu gehen, und die Prüfung mit ihnen zu machen. Ich endete damit, nicht nur für meine, sondern auch och für zwei andere Klassen zu korrigieren, was mir grundsätzlich nicht so viel ausmachte, es störte mich jedoch sehr, dass jeder Ahnung von mir erwartete, ohne mir irgendwelche Anweisungen zu geben. Das schwierigste war, die Aufsätze zu benoten, was mit Punktesystem funktioniert, ich wusste aber nicht, welches Punktesystem, wie es sich zusammensetzt, was man berücksichtigen muss und vor Allem, was man von den verschiedenen Klassen erwarten konnte. Die Gesamtpunktezahl hatte ich mir von anderen, schon korrigierten Aufsätzen abgeschaut. Wenn ich  nach etwas fragte, wurde ich vom Einen zum Nächsten verwiesen, bis ich schließlich wieder bei der Ursprungsperson landete. Dass machte mich etwas gereizt, zusammen mit der Tatsache, dass ich keine meiner Sache unbeaufsichtigt lassen konnte, ohne dass sie verschwanden, und so war ich permanent auf der Suche nach meinen Stiften oder den Arbeiten meiner Klassen.
Ende der Woche hatte ich aber dann alles so gut für mich herausgefunden, dass ich plötzlich sehr viel mehr Selbstvertrauen hatte und mich viel mehr zutraute. So konnte ich mit sehr gut vorstellen, meine Klasse im kommenden Schuljahr in einem weiteren Fach zu unterrichten und als Klassenvorstand zu übernehmen. Es lief, ich befand mich im Flow, und das schon seit zwei Wochen.

Am Freitag, 1. November kam mich Emma besuchen.

Dienstag, 12. November 2013

Zu Tode betrübt und himmelhoch jauchzend

Am Dienstag, 22. Oktober, brach plötzlich alles zusammen. Die Spannung, die mich fest zusammengehalten hatte, fiel ab, und ich zerfloss zu einer Pfütze. Auslöser war einerseits besonders schlimmer Bericht über ein Kind hier, den ich geschrieben hatte, und das plötzliche Auftauchen der Akteure in diesem Bericht, die das Geschehene real machten, und andererseits ein Riesenkrach zwischen zwei meiner Kollegen.
Ich konnte mich irgendwie durch den Nachmittag kämpfen, aber als ich am Abend die Haustür hinter mir geschlossen hatte, überwältigte mich eine Flut aufgestauter Gefühle, und ich ergab mich widerstandslos ihrer Wucht.
Auch am nächsten Tag ging es mir nicht viel besser, meine Kollegen dachten, ich sähe meiner Erkältung wegen so schrecklich aus und wollten mich ins Krankenhaus bringen. Das kam mir sehr gelegen, da ich ihnen so nichts erklären musste. Alleine Mercy schien zu bemerken, was wirklich los war, als sie den Kopf neben mich auf den Tisch legte, und sagte, ich sollte doch nachhause gehen und meine Augen ausrasten. Diesem Rat folgte ich und verbrachte den restlichen Mittwoch im Bett.

Als ich am nächsten Morgen nach 17 Stunden traumlosen Schlafes aufwachte, fühlte ich mich seltsam leer und leicht. Eine Erleichterung erfüllte meinen Körper und ein Lachen aus meinem Inneren rüttelte an meinem Brustkorb. Es war, als hätte sich in den zwei vergangenen Tagen sämtlicher Schmutz aus meinem Körper gewaschen. Es war ein komisches Gefühl, das ich noch nicht so zuordnen konnte.
Dann betrat ich das Social Workers Office und plötzlich überkam mich dieses Glücksgefühl, nicht dieses berauschende, übermannende, sondern jenes, welches sich langsam von der Mitte des Bauches ausbreitet und in den ganzen Körper gelangt, ihn ausfüllt und prickeln lässt. Dieses zufriedene, ruhige, etwas verhaltene und weniger dramatische Glücksgefühl, das sich auf längere Zeit einnisten will und nicht wie ein Sturm durch das Herz fegt, um es durcheinander zurückzulassen.
Ich war glücklich, und ich war da.
Ich war da, wo ich war, und zwar zu hundert Prozent.
Dieses Gefühl habe ich nun seit exakt vier Wochen und ich fühle mich ein wenig wie der kleine fette Buddha an meinem Hals. Es ist sehr schön. Ich erlebe mich hier sehr viel ausgeglichener als zuhause.
Und plötzlich konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, hier jemals wieder wegzugehen. Doch mehr als ich selbst bemerkte jeder in meiner Umgebung meinen Wandel. Ich hatte plötzlich meine Angst vor kenianischen männlichen Wesen abgelegt und bekam auch zu den alten Straßen"kindern" einen Draht. Meine Schüler schienen sich auf wundersame Art und Weise gewandelt zu haben, und zum ersten Mal sah ich sehr deutlich die Früchte meiner Arbeit. Hatten am Beginn drei von elf Kindern meine Tests bestanden, waren es nun nur mehr drei, die sie nicht bestanden. Und auch das Schüler-lehrer-Verhältnis hatte sich so weit stabilisiert, dass ich weit nicht mehr so streng sein musste. Ich genoss (und genieße) es, hier zu sein.

Montag, 11. November 2013

Umzug

Sonntagabend also eröffnete ich meinen Gasteltern, dass ich ausziehen möchte. Ich war ehrlich nervös und es kostete mich viele Worte, bevor ich auf den Punkt kommen konnte. Ich versuchte, ihnen meine Beweggründe so verständlich wie möglich zu machen, ließ den Hauptgrund, nämlich, dass ich mich mit dem Verhalten meines Gastvaters ganz und gar nicht wohlfühlte, jedoch außen vor. Mein Gatsvater sagte gar nichts, meine Gastmutter meinte, sie würde mich verstehen und hätte sich schon sowas in der Art gedacht, ich hätte nur früher etwas sagen können. (Dass ich schon ab und an darauf hingewiesen hatte, dass die beengte Situation und die komplett fehlende Privatsphäre eine Belastung für mich darstellten, hatte sie wohl vergessen, und ihre Standard-Antwort "Soon, God will open a way" war auch  nicht sehr hilfreich gewesen). Das nächste, was sie beschäftigte, war, was wohl die Leute dazu sagen würden. Naja, im Endeffekt machten sie es mir nicht sehr schwer, nun wirklich raus zu wollen. Bis Mittwochabend, wo ich der kleinen Wohnung in Mwanzo, dem Viertel in Eldoret, in dem ich lebte, den Rücken kehrte, herrschte eine sehr unangenehme Stimmung, und ich war froh, als ich meine Koffer zur Tür hinausschob.

Am Dienstag hatten wir meine neue Wohnung geputzt und auf Vordermann gebracht, es war natürlich noch einiges zu tun, aber zum Schlafen reichte es schon. Meine neue Unterkunft war flächenmäßig genauso groß wie die Wohnung, die wir davor zu sechst bewohnt hatten. Die Wände meines neuen Heims sind hellgelb gestrichen, die Farbe der Bodens gleicht der rötlichen Erde, die im Westen Kenias oft vorzufinden ist. Fenster gibt es vier an der Zahl und sie sind groß und durchfluten den Raum mit Licht. Das Bad war einmal für fünf Mütter mit Kindern gedacht und ist dementsprechend groß, ich habe die Auswahl zwischen drei Toiletten und drei Duschen. Die Babybetten habe ich in den angrenzenden Raum gebracht, und aus den Betten habe ich mir ein Sofa, eine Kommode und einen Kleiderschrank, auf den man soagr Bügel hängen kann, gemacht. Ich habe einen Gaskocher, Geschirr und diverse Küchenutensilien gekauft und kann jetzt problemlos kochen. Ich habe meine erste eigene Wohnung, und zwar in Kenia. Wer kann das schon sagen hihi.
Ich fühlte mich auf jeden Fall auf Anhieb wohl.
Die ersten drei Tage versorgte mich Maggie in Ermangelung eines Wasserkochers und einer Thermoskanne morgens und abends mit Tee (mit Milch und uuuuuunendlich viel Zucker), die Abende verbrachten und verbringen wir oft redend auf den von der Sonne untertags aufgeheizten Stufen vor meinem Haus. Ich kann auch jeden Abend den Sonnenuntergang bewundern.

Das Wochenende schloss ich mich mehr oder weniger ins Haus ein. Das erste mal seit zehn Wochen war ich vollkommen alleine. Ich genoss die Stille und rastete mich aus. Montag hatten wir auch frei, da Mashujaa-Day war, der Tag, an dem Kenias Helden gefeiert werden. Zu Mittag zog es mich aber doch hinaus und ich ging zur den Mädchen, um den Nachmittag mit ihnen zu verbringen.
Am Dienstag war ich dann enorm glücklich, meine Arbeitskollegen wiederzusehen, vor allem Mercy, die in meiner ganzen Zeit hier einer der wichtigsten Menschen für mich geworden war. Auch Brenda hatte ich sehr vermisst.

Konza

Einen Tag, bevor Konza losging, fuhr ich nach Nairobi und schlief bei Emma. Es war ein sehr netter Abend, an dem ich auch eine andere Volontärin kennenlernte.

Tags darauf, am 11. Okbtober, machten wir uns auf nach Konza, drei Stunden von Nairobi entfernt, wo sich ein Nationalpark befindet. Als wir den Eingang zum Gelände passierten, überkam mich eine plötzliche Ruhe, die ich bis dahin nicht gekannt hatte.
Später machte ich mir diese kurze Notiz:
"Erstmals bin ich richtig glücklich hier. Nicht diese verhaltene Freude, aber ein mich grinsend machendes Glücksgefühl hat sich eingestellt. Nächste Woche werde ich umziehen." 
Und tatsächlich konnte ich diesen Tag in seiner ganzen Schönheit genießen. Wir kamen am Zeltplatz an und hatten ein vorzügliches Abendessen. Später hatten ein paar von uns ein nettes Gespräch mit dem Führer im Revier endete schließlich in einem mitternächtlichen Ausflug in den Busch. Das war unheimlich cool, wir hatten diesen starken Scheinwerfer, mit dem wir nach Giraffen, Hyänen und Bushbabies Ausschau hielten. Wir sahen Zebras, Gnus, Giraffen, Affen und Bushbabies, die Hyänen fanden wir leider nicht. Die Luft war frisch und feucht, der Sternenhimmel schien sich unter der Last seiner Beleuchtung zu biegen, es schien, als bräcuhte man nur die Hand auszustrecken, um einen der gelb funkelnden Diamanten herunterzuholen.
Es gitb hier so viele Kleinigkeiten, Unterschiede, die bei näherer Überlegung sehr logisch sind, auf deren Existenz man wenn nicht durch Beobachtung aber niemals kommen würde. Eine davon ist der Mond. Die Sichel steht hier nicht, sie liegt oder hängt wie ein Fallschirm am Himmel.

Am nächsten Morgen stand ich sehr früh auf, um den Sonnenaufgang bewundern zu können. Danach streiften wir mit unserem Guide zu Fuß ein wenig durch die Umgebung und trafen Zebras und Gnus. Es war echt heiß verglichen mit Eldoret, das Klima wechselt von Ort zu Ort recht schnell. Zu Mittag machten wir uns auf eine Art Safiri, mit dem Reisebus quer durch den Busch, das war ein witziges Unterfangen. Wir sind sogar einen Berg damit raufgefahren. Dass das möglich ist, hätte ich mich davor nicht zu träumen gewagt und selbst während der Fahrt zweifelte ich noch an der Wirklichkeit dieser Aktion. Den ganzen Tagesausflug über hatten wir Blick auf die wunderschöne Steppenlandschaft des Nationalparks. Wir sahen wiederum Giraffen, Strauße, Zebras, Gazellen, Gnus und Antilopen. Es wirkte ein wenig unwirklich.
Die Sonne und die Hitze hatten mich so müde gemacht, dass ich am Abend sehr früh zu Bett ging, dafür am nächsten Morgen nochmals verfolgen konnte, wie die Sonnenstraheln zuerst den Horizont indigo, dann rosa und orange färbten, wie sie neckisch die Wolkenenden kitzelten und wie der gelbe Ball schließlich langsam und doch so schnell über die Zacken der Berge ringsum stieg.
In der Nacht hatte ich das heimtückische Lachen der Hyänen gehört, die sich in der Nähe unseres Lager umhertrieben, was irgendwie erst so richtig unterstrich, dass wir uns in einem Nationalpark befanden.
Am nächsten Tag hatten ein paar von und dann noch die Chance, sich einer Gruppe Giraffen auf einiger Meter zu nähern, was irgendwie total verrückt war.
Der Ausflug war schön und angenehm, aber mit seinem Ende rückte auch das Gespräch mit meinen Gatseltern näher, das ich ein wenig fürchtete.
Als ih Sonntagabend heimkam, sah ich jedoch, dass es für mich kein Zusatend mehr war, noch viel mehr Zeit dort zu verbringen, und fasste mir ein Herz.

Sonntag, 10. November 2013

Bröckeln

Als ich von Migori heimkam, merkte ich schon, wie die kleine Blase, in die ich mich zurückgezogen und mir eine schöne Welt eigeredet hatte, plötzlich kleine Löcher bekam. Der Schutzwall begann zu bröckeln. Hatte ich bis jetzt der Tragik der verschiedenen Schicksale meiner Kinder im Rescue Centre tapfer standgehalten, begannen dei Geschichten nun richtig an mir zu nagen. Ich fühlte mich nicht gut. Ich war traurig, zu hören, was Kinder in einem solchen Alter schon durchmachen mussten und es belastete mich sehr. Das erste Mal seit meiner Ankunft fühlte ich mich etwas alleine und vermisste meine Feunde zuhause so richtig heftig. Mir fehlten die Gespräche, in denen man nicht pausenlos erklären muss, weil die Leute wissen, was man sagen will. Mir fehlten die Ratschläge und die Nähe. Ich hatte schon Freunde hier, aber ein gegenseitiges Verständnis auf dieser tieferen Ebene entwickelt sich nicht von heute auf morgen, und der kulturelle Unterschied verkomplizierte Mensches noch zusätzlich. Auch bemerkte ich, dass meine Intentionen mit denen einiger andere Volontäre ziemlich auseinandergingen. So konnte ich mich bei den einen noch nicht, bei den anderen wollte ich mich nicht öffnen. Ich war genervt und wütend. Die Gefühle summierten sich und drückten immer stärker gegen die Mauer, die mich schützend vor negativen Emotionen umgab.
Das veranlasste mich zum letzten nötigen Schritt, aus diesem Teufelskreis der Unterdrückung von Gefühlen und Erschöpfung auszubrechen, und fragte June, die Direktorin im Projekt, ob ich nicht im Projekt wohnen könne. Die Antwort war ein so selbstverständliches "Ja sicher!", dass ich mich fragte, was mich so lange zögern hatte lassen.
Ich hatte lange gebraucht, mich zu dieser Frage durchzuringen und so fiel mir nicht nur ein Stein, aber ein ganzer Berg vom Herzen und es fühlte sich an, als würde eine riesige Last von meinen Schultern genommen.

Nach dem kleinen Tief am Montag hatte ich mich Tags darauf auch meinen Mitarbeitern anvertraut und die Unterstützung und Zustimmung bekommen, die ich gebraucht hatte, um mich zu diesem Schritt durchzuringen. Ich fühlte mich sicher und geborgen in ihrer Gegenwart.

So also war jetzt alles ausgemacht, ich könnte ausziehen und für mich alleine wohnen, im Projekt, mit Menschen, die schon da viel mehr Familie für mich waren als meine Gastfamilie.
Und, als wollte mein Kopf einfach nicht glücklich sein, ging's mir dann auf einmal viel zu schnell und ich fragte mich, ob ich nicht überreagiert hätte. Als ich an diesem Abend heimkam, fand ich alles plötzlich gar nicht mehr so schlimm, eigentlich war es doch ganz nett.
Ich begann, an meinem Entschluss zu zweifeln, bekam ein wenig kalte Füße. So machte ich den endgültigen Auszug abhängig vom Verlauf der nächsten Tage. Ich wa sehr genervt von mir selber, da mir offensichtlich nichts recht war. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen meiner Gatsfamilie gegenüber. Ich war einfach gesagt ziemlich scheiße drauf. Aber das Wochenende war im Anmarsch und ich freute mich darauf, Emma zu sehen, da ein gemeinsamer Ausflug mit ICYE nach Konza in den Nationalpark übers Wochenende geplant war.

Migori

Am 3. Oktober fuhr ich nach Mirgori, um Finn, einen Volontär aus Deutschland, zu besuchen. Der Weg führte mich durch das Great Rift Valley über Kisii, wo ich umsteigen musste, bis ich nach sechs Stunden schlußendlich in Migori ankam.
Die Fahrt war durchaus interessant und bot einen atemberaubenden Blick auf den großen Ostafrikanischen Grabenbruch, der ganz Kenia von Nord nach Süd durchzieht. So führte mich die Reise vorbei an sanften, grünen Hügeln mit unheimlich viel Grün und den typischen kleinen Strohhütten , schroffen Felswänden, riesigen Reisfeldern und noch größeren Teeplantagen, die den in jedem kenianischen Haushalt verfügbaren Schwarztee liefern. Denkt man an Afrika, hat man doch eher trockene, staubige Straßen mit dürrer Vegetation im Kopf, und keine saftig bewachsenen grünen Hügel mit Palmen und einer Vielzahl an anderen Bäumen. Hätte mir jemand Bilder vom Rift Valley gezeigt, und gesagt, das wäre wo in Südamerika, hätte ich es aufs Wort geglaubt.
Kenia hat so viele verschiedene Gesichter. Kenia kann trocken und menschenfeindlich, humid und fruchtbar sein. Kenia kann verdreckte Slums mit meterhohen Müllhaufen und grausigem Elend, oder saubere, strukturierte, eier westlichen Großstadt in nichts nachkommende Reichenviertel in Nairobi heißen. Kenia ist eine Nation und doch so zerrissen durch die Vielzahl an verschiedenen Stämmen, die sich immer wieder bekriegen. Kenia ist totale Gläubigkeit, Keuschheit und jeden Sonntag fünf Stunden in der Kircher verbringen, Kenia ist Kinderprostitution und häusliche Gewalt, Vergewaltigung der eigenen Kinder oder unschuldiger junger Frauen auf dem Nachhauseweg. Kenia ist kein Sex vor der Ehe und haufenweise Mütter im Teenageralter.

Ich selber wohne nahe dem Vergnügungsviertel Eldorets, wo sich Männer am Abend mit dem selbstgebrauten Fusel betrinken um dann für zwischen 50Cent und 5Euro mit einer Prostituierten auf mit Kartons ausgelegten Böden in heruntergekommenen Hütten ein leidenschaftsloses Geschäft abzuwickeln, von dem sie Befriedigung zu erlangen glauben. Das passiert natürlich meist ohne Kondom, da dieses nur stört. "Using a condom just makes it less sweet.", so wurde mir das von einem jungen Mann erklärt, den ich darauf angesprochen habe. Die Aktion des Chief Residents, jeden Abend eine Box Kondome im Zentrum des Viertels zu platzieren, scheint dennoch zumindest einen geringen Einfluss zu haben, denn jeden Morgen ist diese Box leer.

Aber nun bin ich sehr weit vom eigentlichen Thema abgeschweift. Migori also.
Auf der Fahrt nach Mirgori hatte ich eine sehr nette Unterhaltung mit einer jungen Frau namens Kate, und was mit am meisten an ihr gefallne hat, war die Tatsache, dass sie, als wir uns verabschiedet haben, gar nicht nach meiner Nummer gefragt hat, was hier sonst immer jeder sofort tut.
Am Donnerstag traf ich Finn und Lukas, ich war froh, aus Eldoret und der bedrückenden Umgebung draußen zu sein. Finn arbeitet in einem Waisenheim und teilte sich zum Zeitpunkt meines Besuchs eine kleine -man könnte es fast Wohnung nennen- mit einer Volontärin, die im Jänner ihr Jahr vorüber hat. Ich hab mich etwas leidgesehen an der Wohnsituation, habe aber auch einfach die Tage, die ich dort war, genossen. Und ich wurde generell immer besser darin, mich ehrlich und aufrichtig und zu 100% für anderer Menschen Glück zu freuen, auch wenn es mir selber vielleicht nicht so gut ging. Hatte mir daheim vielleicht doch immer der Neid einen kleinen heißen Stich versetzt, wenn jemand etwas hatte, was ich mir selber so sehr wünschte, war er hier plötzlich verschwunden oder trübte zumindest nicht die Freude für jemand anderen.
Die Tage waren sehr nett und ich genoss sowohl Migori als auch Stella, das Dorf, in dem Finn lebt. Es ist sehr grün dort, wie Eldoret auch, aber irgendwie anders. Es ist hügeliger und es gibt mehr Wald. Eldoret soll vor 50 Jahren auch noch fast ausschließlich Wald gewesen sein, den Erzählungen der Köchin im Rescue Centre zufolge, was kaum vorstellbar ist. Mittlerweile würde ich Eldoret als Industriestadt bezeichnen.
Die Spannung, die mich irgendwie noch zusammenhielt, zeichnete sich wohl in meinem Gesicht, und ich konnte die menschen, die ich traf, das ganze Wochenende über nicht überzeugen, dass es mir gefiel.
In Migori fuhr ich das erste Mal zu viert (Fahrer plus drei Passagiere) mit einem Pikipiki (Motorrad), da wurde mir bei den kleinen Erhebungen, die hier überall auf den Straßen sind, um die Autos zu zwingen, langsamer zu fahren, schon etwas mulmig zumute.
Der Gedanke, auszuziehen aus meiner Gastfamilie, würde immer drängender und klopfte mir pausenlos gegen die Stirn. Ich beschloss, nun wirklich etwas zu unternehmen.

Die Heimfahrt war sehr abenteuerlich, ich erwischte ein Matatu anstelle eines Shuttles, was soviel heißt wie man bleibt alle 10 Minuten stehen, um neue Leute auf der Straße aufzupicken. So waren wir am passagiermäßigen Höhepunkt 26 Leute in einem Kleinbus für 14 Personen. Die zwei Platten, die wir dann noch hatten, machten die eigentlich sechsstündige Heimfahrt zu einer neunstündigen Odyssee, die mich wohl sehr genervt hätte, wäre ich schlecht gelaunt gewesen. So aber genoss ich mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht die Eigenheiten und Charakteristika des afrikanischen Lebens.

Dienstag, 5. November 2013

Erkenntnisse

Am Samstag, 28. September, übernachtete ich das erste Mal im Rescue Centre.
Diesen Tag könnte man als Wendepunkt betrachten, wurde mir an diesem Tag das erste Mal selber meine enorme Unausgeglichenheit bewusst. Kleinigkeiten warfen mich völlig aus der Bahn und ich verlor schnell die Contenance.
Schon in den Wochen zuvor hatten sich meine Mitarbeiter ab und zu besorgt geäußert, ob es mir denn uach gut ginge, ich sähe so müde und abgespannt aus. Bis zu besagtem Samstag hatte ich diese Frage als übertriebene Fürsorge empfunden. Ich wollte die Herausforderung meiner etwas problematischen Familiensituation auf jeden Fall meistern und mich nicht wie ein verwöhntes Mädchen über jede kleine Unannehmlichkeit beschweren. Das hatte zur Folge, dass ich langsam in diese Situation hineinrutschte, und die Belastung zwar langsam aber kontinuierlich wuchs, und gar nicht merkte, wie die Luft immer dünner wurde. Nun aber wurde mir der Sauerstoff zu knapp. Und diese Idee, dass ich doch eigentlich auch im Rescue Centre leben könnte, schlug ihre zarten Wurzeln in meinem Gehirn.
In der Arbeit angekommen, war meine Unruhe wieder verflogen, wie immer, wenn ich die Kinder sah, und ich war glücklich. Wir verbrachten den Abend mit gemeinsamem Tanzen und Filme schauen (eine DVD mit zehn Filmen kann man hier für 100Shilling erwerben). Ich genoss den Abend sehr.
Die Kinde hier im Rescue Centre sind eine große Familie. Ich war und bin immer wieder gerührt von der Fürsorglichkeit, mit der man sich umeinander kümmert. Es ist immer jemand da, der nach den Kleinen sieht und ihnen die Nase putzt, die Kleidung zurechtzupft oder sie einfach auf den Schoß nimmt. Auch ich bekomme, wenn ich abends noch bei den Mädchen bin und es etwas kühler wird, sofort eine Fleecejacke über die Schultern gelegt. Als ich dort übernachtete und im Schlaf aus dem Schlafsack gerutsch war, wurde ich sofort wieder ordnungsgemäß zugedeckt und eingepackt. Das sind die kleinen Momente, die meinen Bauch mit diesem warmen Gefühl durchfluten. An diesem Samstag wurde mir auch klar, wer wirklich meine Familie hier ist.

Alltag

Als ich von Nairobi heimkam, war es schon dunkel, und nach der angenehmen Anonymität in Nairobi machte mir die geballte Aufmerksamkeit, die mir entgegengebracht wurde, etwas Angst. So war ich sehr froh, als mich mein Gastvater abholte.
Ich hatte in Nairobi Energie geschöpft und war ein wenig ausgeglichener, aber nach ein paar Stunden in der gewohnten Umgebung befiel mich wieder diese gewisse Beklommenheit, die ich immerzu verspürte, sobald ich die kleine Wohnung betrat.
Ich freute mich schon riesig auf die Arbeit am nächsten Tag und hoffte, die Nacht möge schnell vorübergehen.

Kaum das Rescue Centre betreten, stieg eine unheimliche Freude in mir auf und meine Kollegen waren überrascht, mich so aufgedreht zu erleben. Ich war bis dahin eigentlich eher ruhig gewesen und im Hintergrund geblieben.

Dass ich einmal als ruhig und zurückhaltend beschrieben werde, hätte ich mir vor Kenia nicht gedacht. Hier aber war ich aufgrund der vielen neuen Eindrücke permanent mit Schauen und Hören und Überlegen und Verarbeiten beschäftigt. Ich war auch in einer völlig neuen Gesellschaft gelandet, hier hatte nicht ich mir die Leute ausgesucht, mit denen ich etwas mache, und so war ich am Beginn eher verschlossen, da ich nicht wusste, ob und welche dieser Menschen vertrauenswürdig wären. Ich konnte auch an den Gesprächen oft nicht teilnehmen, da meine Kiswahilikenntnisse nicht ausreichend waren, und so schweifte ich oft ab und ließ mich von meinen Gedanken treiben, sobald eine hitzige Diskussion über Politik oder Sekten (die zwei Lieblingsthemen meiner Kollegen) entbrannte. Schnell aber erkannte ich die unglaubliche Gastfreundschaft dieser Menschen und hatte bald meine diversen "Mamis" unter den Sozialarbeiterinnen. So taute ich nach einiger Zeit auf und habe mittlerweile unheimlich gute Freundschaften geschlossen. Auch mit dem Kiswahili wird's immer besser, ich verstehe schon den Großteil der Dinge, die mit mir geredet werden, das Antworten klappt noch nicht so ganz, aber es wird.

Die Woche verging schnell und ohne große Zwischenfälle. Ich fühlte mich nun sicherer im Unterrichten und wusste über den Stand meiner Schüler Bescheid. Ich wurde strenger im Unterricht, da mich die Kinder oft zur Weißglut trieben. Sie hatten erkannt, dass ich ihnen wohl mehr durchgehen lassen würde, als die anderen Lehrer und waren fleißig daran, ihre Grenzen auszutesten, wie Kinder das nun mal so machen. Ordentlich auf den Tisch zu hauen hatte meistens aber eine erstaunlich große Wirkung. Es war verständlicherweise am Beginn nicht so einfach für meine Schüler, zu verstehen, dass ich am Vormittag Disziplin fordernder Lehrer und am Nachmittag blödelnder Spielkamerad bin.

Am Wochenende (19. - 22. September) kam mich Irene besuchen. Wir verbrachten ein paar echt tolle Tage zusammen. Angesteckt von ihrer Begeisterung von Eldoret fing auch ich an, die Stadt viel netter und liebenswürdiger zu finden.
Ich hatte bis dato immer nur kleine Ausflüge in Richtung Stadt gemacht, da meine Gasteltern, wann immer ich etwas brauchte, darauf bestanden, mich mit dem Auto dorthin zu bringen. Oft machte ich mich daher nach der Arbeit noch auf, meine Umgebung etwas zu erkunden, ich kam aber nie recht weit, da ich immer zu Fuß ging und es um 19 Uhr stockfinster ist hier. Die Matatus (Kleinbusse für theoretisch 14 und praktisch 24 Personen - die Afrikaner vollbringen immer wieder kleine Menschenstapel-Wunder) waren mir zu dieser Zeit noch nicht ganz geheuer.
Jetzt aber kam Irene und ich wollte ihr natürlich die Stadt zeigen können, also fasste ich mir ein Herz, und stürzte mich raus aus einem Matatu, das ich mit einem etwas mulmigen Gefühl bestiegen hatte, mitten ins Stadtgetümmel. Schnell wurde mir klar, dass die Orientierung in der Stadt eigentlich sehr einfach ist, und entdeckte viele nette kleine Läden.

Die Woche danach ist in meinen Erinnerungen irgendwie verlorengegangen, sie verging viel zu schnell. Generell erlebte ich immer wieder kleine Erfolge in der Schule und mit den Kindern, ich war nun voll eingebunden in meine Arbeit.