Samstag, 22. August 2015

Zurück

Zurueck nach Kenia also. Nach einem Jahr.Nach einem Jahr, in dem sich irgendwie alles und gar nichts veraendert hat. Fuer mich zumindest. Was erzaehlt man auf ein "How have you been?" Wo beginnt man, wo hoert man auf, was kommt rein in die Geschichte, was laest man weg? Was ist ueberhaupt wichtig? Fragen, die nebenbei in meinen Gedanken aufblitzen, waehrend ich in der S-Bahn von Wien Mitte zum Flughafen sitze. Aufgeregt bin ich nicht. Ich fahr ja in kein fremdes Land. Irgendwie fahre ich nach Hause. Von einem Zuhause ins naechste.
Am Flughafen bin ich viel zu frueh. Aus Langeweile esse ich meinen ganzen Reiseproviant auf. Der Mann neben mir schaut immer wieder auf meine Brote, aber als ich ihm eins anbiete, lehnt er ab.Beim Boarden hoere ich zwei Menschen hinter mir in sehr kenianischem Englisch reden. Die Realitaet holt mich kurz ein: Ich fliege nach Kenia! Dann zurueck in Reisemodus, in dem man irgendwie ueberall und nirgends hingehoert, zischen den Welten schwebt, nicht ganz weg und noch nicht ganz da.
Wirklich vorbereitet bin ich nicht, geplant ist auch nix, das wird schon irgendwie.
Der Flug von Wien nach Addis Abbaba ist durchzogen von Wachtrauemen und wunderschoenen Bildern von den Sternen und dem Mond. Unter mir immer wieder die schimmernden Lichter von Staedten, wie Tropfen von flouriszierender Farbe, die auf die Erde geprasselt sind. Auch der Sonnenaufgang geizt nicht mit seiner Pracht. Zwischenlandung - der Anschlussflug hat Verspaetung. Als ich mit steifem Genick hochschrecke - wann bin ich denn weggenickt? - bekomm ich ein ungutes Gefuehl, ich weiss nicht, wie ich heute noch nach Eldoret kommen soll. Naja, hakuna matata!
Ich lande in Nairobi, meine kenianische Sim-Karte funktioniert nicht mehr. Am Schalter fuer das Visum pocht mir das Herz so fest gegen den Brustkorb, dass es wehtut. Wohl noch eine alte Gewohnheit vom letzten Jahr. Aber alles klappt reibungslos, das neue E-Visum ist wohl doch nicht so bloed!
Aus einem unerfindlichen Grund nehme ich den Bus in die Stadt (zugegeben, ein Taxi kostet einfach das 25-Fache), der geschlagene drei Stunden bis zum Ziel braucht. Nach Eldoret zu fahren, kann ich vergessen, es ist schon spaet. Ich stelle mich in einem Geschaeft an, um eine neue Sim-Karte zu kaufen, das dauert wieder eine kleine Ewigkeit. Ich kann niemanden erreichen, mein Rucksack ist schwer, ich habe Durst und bin angepisst, im Eilzugtempo durchlaufe ich einen Mini-Kulturschock. Ich checke ins naechstbeste Hostel ein und bemitleide mich kurz selbst. Endlich erreiche ich Mercy, und auch die anderen Leute, die zu erreichen versucht hatte, melden sich zurueck. Nach einer kleinen Pause gehe ich nochmal raus auf die Strassen. Jetzt kann ich die Atmosphaere geniessen, mich in den Rhythmus der Stadt fallenlassen. Ein warmer Schauer durchlaeuuft meinen Koerper, ein Laecheln bahnt sich seinen Weg auf meine Lippen: Ich bin wieder da! Ich bin zurueck in Kenia!

Die Fahrt nach Eldoret verlaueft reibungslos, und ploetzlich steht auch schon Mercy vor mir.
Wir wissen beide nicht so recht, was wir sagen sollen, ist das hier echt? Schon geht's auf nach Outspan, wo meine Freundin jetzt wohnt. Ich muss erst mal kurz durchatmen, es war schon klar, dass ihr Haus klein sein wuerde, aber so klein? Wie sollen wie hier zu viert schlafen? Das ist kein Problem, meint Mercy, sie und die Kinder legen einfach Matratzen auf den Boden. Ich krieg natuerlich das Bett.
Outspan liegt etwas ausserhalb von Eldoret und ist schoen ruhig und friedlich. Die Ruhe und der Frieden sind jedoch vorbei, als die Nachbarin das Radio aufdreht. Dieses Radio wird mich noch in den Wahnsinn treiben, Gott sei Dank weiss ich das zu dem Zeitpunkt noch nicht. Das Plumpsklo in dem Wohnplot ist so klein und eng, dass ich zuerst nicht weiss, wie ich tun soll. Die richtige, an Akrobatik grenzende, Position ist aber schnell gefunden. Ich bin froh, keine hundert Kilo zu haben, damit ist man an diesem stillen Oertchen aufgeschmissen. Ich raste das Wochenende, dann geht's das erste Mal ab ins Rescue Centre. Ich bin gespannt, wie der Ort jetzt aussieht, und was sich veraendert hat, mein Gefuehl ist etwas mulmig, weil ich viele Geschichten gehoert habe. Immer diese Geschichten. Als haetten Menschen nichts besseres zu tun, als Halbwahrheiten ueber Dinge zu verbreiten!
Ich geh schnurstracks hinauf zur Dining Hall, dann trauich mich doch nicht hinein. Ich bin ein wenig unruhig und aufgeregt. Vorsichtig strecke ich den Kopf durch die Tuer, es ist dunkel im Speisesaal, ich sehe mehrere Augenpaare auf mich gerichtet, eine Sekunde spaeter blitzen die dazugehoerigen weissen Zaehne auf. Im Nu bin ich umringt von meinen alten Freunden, mit denen ich so viele Dinge erlebt habe, das Jahr zuvor. Und sie haben mich sofort wiedererkannt. Ich muss mich zusammenreissen, um nicht loszuheulen.
Es ist ein schoener Tag, und ich verbringe ihn mit all denen, die noch uebriggeblieben sind im Centre. Es sind viele neue Kinder und viele neue Mitarbeiter da.
Die naechsten Tage pendle ich zwischen Outspan und dem Rescue Centre hin und her. Ich bin wieder voll hier. Ein Wochenende fahre ich mit Mercy nach Chavakali, dem Heimatort ihres Mannes. Der Ort ist sehr gruen, sehr abgeschottet vom Rest der Welt und sehr entspannend. Die Woche darauf nimmt sich mein Koerper eine Pause, ich hab mir wohl sorichtig den Magen verdorben. Nach einer Nacht mit Schuettelfrost und Fieber ist aber wieder alles in Ordnung.
Jetzt sitze ich in Nairobi in einem Internetcafe und habe nur einen Bruchteil von dem aufgeschrieben, was ich eigentlich geplant hatte. Aber die Tastatur ist der letzte Schrott und ich habe noch so viel zu tun! Heute Nacht geht's ab nach Kisumu, und ich habe nur mehr knapp zwei Wochen in Eldoret.
Dies sollte also einfach mal als Lebenszeichen dienen. Es geht mir sehr gut hier, ich geniesse die Zeit und das Leben ist schoen!
Zur richtigen Zeit gibt es auch sicher noch mehr zu lesen, aber fuer jetzt muss das hier genuegen.
Tippfehler seien mir verziehen - die Tastatur ist wie gesagt Schrott.