Samstag, 15. Februar 2014

Rassismus

Um es gleich vorwegzunehmen, dies ist einer der subjektivsten Einträge des ganzen Blogs und stützt sich einzig und alleine auf meine Erfahrungen, die ich ganz spezifisch in Eldoret während meiner sechs Monate hier bis jetzt gemacht habe. Ich will nichts verallgemeinern, auch wenn es sich im Laufe des Textes vielleicht so anhört und ich kenne natürlich auch persönlich Menschen/Männer, auf die das nicht zutrifft. Weiters ist es ein Suder-Artikel.

Wenn man an die Beziehung Weißer-Schwarzer denkt, kommt doch eigentlich sofort die Unterdrückung der Scharzen durch den Weißen und der schreckliche Rassismus, die unwürdige Behandlung der afrikanischen Bevölkerung durch den Westen. Dass die Schwarzen jedoch Weiße, "Mzungus" in Kenia, die andere Hautfarbe ebenso diskriminieren, wenn auch vielleicht auf eine andere Art und Weise, daran denkt selten jemand, der es nicht selber erlebt hat. Ich leide im Moment sehr unter der Sonderbehandlung, die mir leider hier zuteil wird. Zu Beginn nur angestarrt, wurden die Menschen hier mit der Zeit mir gegenüber immer unverschämter, und im Moment scheint es seinen Höhepunkt zu erreichen. Ich hoffe zumindest, dass es der Höhepunkt ist, denn momentan will ich nicht einen Fuß in die Stadt setzen. Meine Kräfte sind aufgezehrt, ich werde zunehmend aggressiver und sensibler gegenüber den blöden Anreden, den Anmachen, dem Anfassen, dem Nachschreien.
Zuerst war es nur der "Mzungu". Wohin ich auch ging, hörte ich "Mzungu, how are you?". Das ist etwas lästig, aber auszuhalten, denn man muss ja nicht antworten, und man wird, wie bei jedem permanenten lästigen Geräusch, irgendwann taub und hört es nicht mehr. Der Hauptgrund, warum es mich störte, war, dass man permanent daran erinnert wird, dass man anders ist. Ich kann 50 Jahre hier leben und fließend Swahili sprechen, meine Hautfarbe mach mich zu einem Anderem, der anders behandelt und immer gesehen wird. Je nachdem, in welcher Gegend, folgten mir Leute, fassten meine Haut an, versuchten, mich zu überreden, in ihren Bus oder ihr Auto zu steigen. Schnell hatte ich einen Stadt-Gesichtsaudruck und war taub gegenüber allem, was Freunde entweder davon abhielt, überhaupt Hallo zu sagen, wenn sie mich sahen, oder sie zwang, mir nachzulaufen, da ich auf ihre Rufe nicht reagierte. Wer das mittlerweile macht und mich von hinten anfasst, läuft Gefahr, eine geklebt zu bekommen.
Jetzt bin ich nicht mehr Mzungu. Jetzt bin ich Wamboi, Wangeshi, Wanjiko, Wanjiro, Baby, Sweetie, Honey. Die ersteren sind Kikuyu-Namen, die sie mir deshalb geben, da die Kikuyus der mitunter hellhäutigste Stamm der Kenianer und somit der den Mzungus am ähnlichsten ist. Ich habe mich also von der Weißen zur Kikuyu gemausert. Das klingt vielleicht jetzt nicht so schlimm, es ist aber enorm unfein, permanent bei irgendeinem Namen gerufen zu werden. Generell ist es unfein, gerufen zu werden. Es ist unfein, immer naders behandelt zu werden. Auch, weil das nicht ein einmaliges "Wangeshi!" ist. Nein, da ich nicht reagiere, ist es ein "Wangeshi! Wangeshi! Hey, Wangeshi! WANGESHI!!!! How are you? HOW ARE YOU WANGESHI?????". Das geht so lange, bis ich außer Sichtweite bin. Die nettesten belassen es dei den Rufen. Doch dann gibt es die, dir einem nachlaufen. Das heißt, du wirst von "Wangeshi"-Rufen UND einem Typen verfolgt. Jetzt sind das aber nicht die Typen, mit denen man unbedingt zu tun haben will. Die erste Antwort auf "Warum reagiere ich nicht einfach?". Die zweite: Ich hab was zu tun, wenn ich in die Stadt gehe und kann nicht jede halbe Minute ein Gespräch beginnen, in dem mir jemand Ordinäres an den Kopf schmeißen will.
Dann die Grapscher. Es passiert mindestens einmal pro Stadtgang, dass jemand an mir vorbeigeht und einfach mal noch ganz beiläufig die Hand auf meine Brust oder meinen Hintern legt. Wer nicht schnell genug wegläuft kassiert hiernach eine Ohrfeige. Was denken sich diese Leute?!
Die "Witzbolde". Ich gehe auf der Straße entlang, ein Typ kommt entgegen udn fast schon im Vorbeigehen hält er sein Gesicht ganz nah vor meines und spuckt mir ein "Mzungu", ein "Hey baby." oder sonstiges ins Gesicht. Mal abgesehen vom dem Mundgeruch, den viele Kenianer haben, ist das ein sehr unangenehmes Gefühl, da ich nicht gerne Nase an Nase mit einem Menschen stehe, den ich nicht ausstehen kann.
Die Festhalter. Ich gehe, da packt eine Hand meinen Arm und versucht, mich irgendwohin oder in einen Bus zu ziehen. Nach dem Grapscher das unverschämteste.
Und dieses Verhalten legen nur die Kenianer an den Tag. Noch nie hat mich eine Frau blöd angemacht, noch nie hat mir eine Frau hinterhergeschreien, noch nie hat mir eine Frau ihren Händedruck aufgezwungen.
Was mich zu meinem nächsten Punkt führt: die Männer.

Ich weiß nicht, was falsch läuft in ihrem Kopf. Ich weiß es nicht. Zuerst mein Gastvater, der mich aber so bedrängt hat, als ich noch dort wohnte und es nach vier Monaten permanenten Ignorierens, des Sperrens seiner Telefonnummer und des Blockierens auf Facebook immer noch nicht gerafft hat und weiterhin Wege findet, mich zu kontaktieren. Er hat den Grundstein für mein etwas gestörtes Verhältnis gegenüber dem anderen Geschlecht hier in Kenia gelegt. Sämtliche Typen, mit denen ich in den ersten zwei Monaten Kontakt hatten, wollten mich nur ins Bett bekommen, ich bekam täglich anonyme Anrufe, die, wenn ich ungehalten wurde, zu Bedrohungen wurden, hatte immer wieder Stalker, die ich nicht kannte, die mich aber kannten, wussten, wo ich wohnte, und mich unendliche Male am Tag anriefen, und fragte mich ernsthaft, welches Arschloch meine Nummer an so viele andere Arschlöcher gegeben hat.  Dabei war vor allem die Art und Weise, wie sie sich mir anboten oder nach zwei Tagen ihre brennende Liebe gestanden, schlicht lächerlich.

Ich weiß nicht, ob dieser Text annähernd verdeutlicht, wie es ist, ständig das Ziel zu sein. Man kann es wohl auch nur nachfühlen, hat man es schon einmal in irgendeiner Form erlebt.
Diese Menschen machen mir es im Moment jedenfalls schwer, mich in diesem Land wohl und von der Gesellschaft akzeptiert zu fühlen. Ich fühle mich bei meinen Freunden wohl und in meiner vertrauten Umgebung, wo mich die Leute gut kennen und in Ruhe lassen. Aber nicht draußen. Und das ist sehr traurig. Ich vermisse, anonym zu sein.

Ich habe mir hier sehr viel Frust von der Seele geschrieben und war einfach nur entnervt, aber bin hier keineswegs in Gefahr, wenn ich mich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewege, und nicht alle Männer sind Schweine, und wie gesagt ich war genervt und mittlerweile kann ich wieder darüber lachen und zurücksudern, weil es einfach nur richtig doof ist, was die da abziehen und eigentlich ein wenig arm, also ihr braucht euch echt keine Sorgen machen!! Bitte. Wirklich.

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