Freitag, 10. Januar 2014

Weihnachten

Wir haben zwar immer genug zu essen im Rescue Centre, aber eben auch nur genug. Das heißt, kein Kind ist unterernährt und keines muss hungrig ins Bett gehen (meistens). Deswegen geht es um die Weihnachtszeit dann sehr verrückt zu hier.
Leute werden großzügig und spenden, spenden Essen, schon gekochtes Essen, dass dann auch vertilgt werden muss, um es nicht verderben zu lassen. Um die Weihnachtszeit also gibt es viel zu essen, zu viel. Das führt so weit, dass vor allem die Jüngeren Bacuhschmerzen bekommen, da sie ohne Halt in sch hineinstopfen, eines der Kinder hat sich an einem Tag sogar übergeben. Am Ende musste dann doch Essen weggeworfen bzw. den Schafen gegeben werden.
Grundsätzlich ist es ja gut, Spenden zu erhalten, nur kommt dann plötzlich alles auf einmal. Kann man die Kinder im Juni, Juli mit Süßigkeiten und Saft in Ekstase stürzen, wollen sie dies zu Weihnachten gar nicht mehr. Zuerst gibt es lange nichts, und dann viel zu viel. Man kann natürlich keinem Spender einen Vorwurf machen, aber eine bessere Verteilung dieser Spenden auf das Jahr hätte wohl mehr Sinn.

Abgesehen von massenhaft Essen und Süßem, und einer Gruppe die kamen, um Weihnachtslieder zu singen, verlief Weihnachten eher unspektakulär. Zwei Schafe wurden geschlachtet und ich brachte mein Weihnachtsgeschenk, FlipFlops für jeden. Einen richtigen Weihnachtszauber gab es nicht, es scheint allerdings hier auch nicht so wichtig zu sein.
Es war auch irgendwie sehr entspannend, ich verbrachte die gesamte Adventszeit ohne ein einziges nerviges Weihnachtslied im Radio, ohne die stressige Werbung und die übertrieben kitschigeWeihnachtsdeko überall. Eigentlich gab es nichts, das auf Weihnachten hindeutete. Das wäre vielleicht in einer Familie anders gewesen, aber ich hatte alle Einladungen ausgeschlagen und mich dazu entschlossen, im Rescue Centre zu bleiben. Und es war trotzdem ein schöner Tag.

Am 24. und 25. hatte ich ein wenig Weihnachten über Skype, und vor allem der 25. war super, Weihnachten bei der mütterlichen Verwandtschaft, alle vor einen kleinen Bildschirm gequetscht, das übliche Chaos und Durcheinander, ich fühlte mich plötzlich, als wär ich direkt unter ihnen. Das war echt lustig und wirklich nett.
Am 25. war dann auch packen angesagt, am 26. sollte es losgehen nach Tansania, gemeinsam mit Emma für zwei Wochen. Obwohl ich mich sehr auf die Reise freute, wusste ich doch schon im Vorhinein, dass es schwierig sein würde, die Kinder und Kollegen hier für so lange Zeit alleine zu lassen.

Auch wenn die Weihnachtszeit wohl die heimwehgefährdetste Zeit ist, hab ich diese Falle wohl sehr geschickt damit umgangen, dass ich eben um diese Zeit bei Mercy wohnte.
Freundschaften hier werden sehr schnell sehr intensiv, da man irgendwo weiß, dass die gemeinsamen Zeit begrenzt ist. Das heißt, man vermisst sie deshalb nach einer Woche unheimlich, weil diese Woche eine Woche eines Jahres ist, das man hier verbringt, in dem man sich sicher sieht, bevor es dann auf Besuche reduziert wird. Das möchte ich hier erwähnen, da ich niemanden vor den Kopf stoßen will mit meinen Worten, mit meiner Begeisterung und vielleicht mit dem Anschein, vollkommen auf Österreich zu vergessen.
Das tu ich nämlich nicht, ich versuche nur, alles aus diesem Jahr, das mir geschenkt wurde, zu schöpfen. Und dazu gehört auch, sich auf das Jetzt zu konzentrieren. Es wäre tödlich (ich sehe, dass es tödlich ist), permanent noch mit halbem Fuß in einem anderen Land zu stehen. Das heißt, man bekommt nie dieses Gefühl, völlig da zu sein. Mit beiden Beinen irgendwo zu stehen heißt aber ja auch nicht, dass diese dort jetzt in Zement eingegossen werden und man sich nicht mehr bewegt. Nein, seine Füße einmal von einem Ort, einem Land, einer Umgebung loszueisen, macht sie leicht, beweglich, flink, und man kann danach viel leichter von Ort zu Ort wandern. Es macht sie freier, wegzugehen und zurückzukehren. Ich habe keine Angst mehr davor, meine Heimat, sei sie nun in Kenia oder in Österreich, oder in einigen Jahren vielleicht auch noch an anderen Orten der Welt, für eine Zeit zu verlassen, um etwas Neues zu entdecken. Heimat ist nicht der Ort, an dem man geboren wurde, oder der Ort, an dem man dieselbe Sprache spricht, Heimat sind die Menschen, die einen lieben.
Diese Erkenntnis habe ich hier machen dürfen und ich bin sehr dankbar für sie. Und für die Leute um mich herum, die mir jeden Tag das Gefühl geben, ihnen wichtig zu sein. Auch bin ich dankbar für die Menschen in Österreich, die mich unterstützen, einfach dadurch, dass sie mir zuhören und mich verstehen, und bei denen ich weiß, es erwarten mich Freunde und Familie, wenn ich im August wieder zurückkomme. Das gibt mir Sicherheit und lässt mich etwas mehr Frieden schließen mit dem Gedanken, dass mein nun Flug gebucht ist.

Dienstag, 7. Januar 2014

Feldarbeit und Trinkwasserstreit

Heim von Mombasa ging's gleich wieder an die Arbeit. Es hatte die Woche davor endlich wieder geregnet und die Bedingungen waren gut, Gemüse zu pflanzen. So verwandelten wir den Boden in Gemüsebeete und waren zwei Wochen lang mit Umgraben und Pflanzen beschäftigt. Meine zarten Europäerhändchen waren das Ackern mit der Jembe nicht gewohnt und so bildeten sich nach kurzer Zeit blutige Blasen an. Doch auch die anderen hatten mit Blasen zu kämpfen, das ließ mich weniger "Mzungu kann keine Arbeit machen"-mäßig fühlen.
Nun haben wir eine große Zahl an Feldern auf unserem Compound, mit Mais, Sukumawiki, Managu, Kunde, Zwiebeln, Tomaten, Avocados, Kohl. Das ist richtig toll, da wir so weniger von Spenden abhängig sind und auch aus dem Eigenanbau leben können.
Feldarbeit macht unheimlich Spaß, da weiß man, warum man am Abend müde ist, und es ist eine Arbeit, die man in dieser Form zuhause nicht mehr macht, da es ja Traktoren gibt.

Was mich etwas verwundert oder manchmal auch nervt, ist, wie mein Verhalten Erstaunen bei den Kenianern auslöst. Eine Weiße am Feld, das war sowieso die Attraktion schlechthin, Leute im Vorbeigehen konnten gar nicht genug starren, doch selbst im Centre waren sie zu Anfang nicht ganz sicher, ob ich das jetzt ernst meine, dass ich eine Jembe haben und mitmachen will.
Oder dass ich Wasser aus dem Brunnen schöpfe/Wasser pumpe und dann zu den Feldern trage, um die Pflanzen zu wässern. Dass ich jeden Tag gemeinsam mit den Kindern esse, dass ich bei den Mädchen oben schlafe, dass ich dasselbe Wasser trinke, dass ich halt alles genauso mache, wie sie.
Ich verstehe es nicht ganz, denn deswegen bin ich ja hier.
Und ich schöpfe gerne Wasser, ich wasche gerne mit der Hand, ich lebe gerne so, da weiß man wirklich, woher das kommt, was man benutzt, man verschwendet weniger, man braucht seine eingene Energie. Es ist logischer. Viel logischer.

Ein paar Tage nach meiner Rückkehr von Mombasa begann Trockenheit die Stadt zu plagen. Der permanente Wind beschleunigte den Prozess und so versiegte das Leitungswasser bald, das hier trinkbar ist. Das brachte ein sehr essentielles Problem mit sich, denn jeder hatte zwar vorsorglich Wasservorräte angelegt, doch sollte die Trockenheit lange anhalten, würden die Leute gezwungen sein, entweder das Brunnenwasser zu trinken, oder welches zu kaufen. Das Brunnenwasser ist launisch, mal kann man es problemlos konsumieren, mal stellt es lustige Dinge mit Bauch und Haut an. Nicht weniger der Kinder hatten plötzlich mit Hautausschlag und Bauchschmerzen zu kämpfen.
In solchen Zeiten zeigen sich dann auch die nicht so schönen Seiten der Menschen.
Was ich bis jetzt hier erlebt habe, gibt es zwei Sorten Mensch hier - die, die geben, obwohl sie selbst fast nichts haben, und die, die die Worte Loyalität und Unterstützung offensichtlich nicht kennen.
So wurde während dieser Trockenheit gutes Trinkwasser von gewissen Personen zum Blumenspritzen verwendet, um die Möglichkeit, nach Wasser gefragt zu werden, zu umgehen. Neben dem Fakt, dass dieses Wasser dem ganzen Rescue Centre zugänglich sein sollte, ist der Grundgedanke einfach falsch und scheußlich, braucht eine Einzelperson doch auch keine 5000 Liter Wasser für sich. Das machte mich unheimlich wütend und ich konnte diesem gierigen Menschen nicht einmal mehr in die Augen sehen.
Aus diesem Grund und auch, weil ich mich seit Mombasa ein wenig verloren und einsam in meinem großen Raum fühlte, zog ich kurzerhand zu Mercy, die hier so ziemlich meine beste Freundin ist.

Es war sehr schön, wieder mit jemandem zusammenzuleben, und mit Mercy fühlte es sich so an, als wär es nie anders gewesen. Es ist wunderbar, am Abend auf dem Sofa zu gammeln, fürchterlich schlechte mexikanische Soaps, die man nichtsdestotrotz jeden Abend verfolgen muss, anzusehen und Blödsinn zu reden.
Jeden Tag um halb sechs aufzustehen und mich um Brolin, der am 19. Jänner zwei Jahre alt wird, zu kümmern, während Mercy draußen wäscht, nahm ich dafür gerne in Kauf.
Ich war um diese Zeit wieder von Müdigkeit und Erschöpfung befangen, die interessanterweise nur dann verschwand, wenn ich auf dem Feld arbeitete oder Wasser zu den Feldern brachte.
Wie müde ich tatsächlich war, zeigte sich, als ich eines Morgens nicht selber aufwachte, und Mercy mich auch nicht weckte, und so bis halb zwölf durchschlief.
Was diese Erschöpfung auslöst ist mir nicht klar, es ist allerdings echt ärgerlich, da man immer nur halbwach dahinvegitiert und sich nicht zu hundert Prozent in eine Sache hängen kann. Natürlich, die Arbeit ist irgendwie anstrengend, die Kinder brauchen immer Aufmerksamkeit, und da ich im Projekt lebe, gibt es keine wirkliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, und auch an den Wochenenden bin ich mit den Kindern zusammen, sofern ich nicht unterwegs bin. Aber trotzdem hab ich das Gefühl, eigentlich viel mehr machen zu müssen, um wirklich so müde sein zu dürfen.

Eine Woche vor Weihnachten kam ein neuer Junge ins Rescue Centre, Peter. Peter ist neun Jahre alt und vollkommen unterernährt, weiters hat er ein Alkoholproblem. Seine Eltern sind beide Alkoholiker, die zuhause selber Alkohol brauen und den Kindern einzig die Sedimente dieses "Local Brew" als Nahrung vorsetzten. Peter hielt es vier Tage in dem Rescue Centre, bevor er durch ein Loch im Zaun schlüpfte und verschwand. Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall. Meist sind diejenigen, die die meiste Hilfe bräuchten, auch die, die nach kurzer Zeit wieder aus dem Centre weglaufen.
Ich weiß nicht, ob ich es gut finde, wie leicht es mir mittlerweile fällt, diese Schicksale nicht an mich heranzulassen, allerdings ist diese Distanz notwendig, um nicht permanent schlecht drauf zu sein. Manche würden es vielleicht auch als "Professionalität" bezeichnen, dessen bin ich mir aber auch nicht so sicher.

Mombasa

Von 1. bis 9. Dezember unternahm ich meine erste größere Reise zusammen mit Emma und Raph - es ging nach Mombasa.
Nun ja, was soll ich sagen. Wir haben den Urlaub sehr genossen, die ersten drei Tage glichen einem Traum - wir, alleine, Natur, weißer Strand, Mangroven, Spaziergänge entlang der Küste, türkisblaues Wasser, Palmen, Kokosnüsse. Das war Mtwapa, ein Ort etwa 30 Minuten von Mombasa entfernt. Ideal zum Ausspannen, und da wir die einzigen Touristen waren, konnten wir uns der Illusion hingeben, dieses Paradies gehöre uns, und nur uns alleine. Einfach nur auf das Meer zu blicken, den Duft einzusaugen, den Geschichten der Wellen zu lauschen, stundenlang hätte man sich in diesem Schauspiel verlieren können.

Sowie in Sachen traumhafte Küste alle Erzählungen und Beschreibungen bestätigt wurden, trafen wir auch auf die Beach Boys.
Der erste war gleichzeitig auch der dreisteste. Das Bild, das die afrikanischen Männer der Küste von weißen Frauen zu haben scheinen, ist ein wenig erschreckend.
Dieser Beach Boy, mit dem Namen David, hängte sich sofort am ersten Tag an uns und wollte nicht mehr verschwinden. Nachdem ich ihm permanent ein Gespräch unter vier Augen verweigerte und nicht gerade freundlich war, trollte er sich irgendwann, nur, um uns auch wieder den fragwürdigen Genuss seiner Gesellschaft zu bescheren. Nachdem er uns beim Essen zugesehen hatte, brachte er uns eine Flasche Palmwine, Kokosnuss-Wein, den man nur in Gegenden erwerben kann, in denen es auch Palmen gibt.
Den Palmwine gewinnt man, indem man Kübel unter die unreifen Kokosnüsse an den Palmen hängt. Morgens verlieren diese ein paar Tropfen Nektar und dieser Nektar wird gesammelt und dann abegfüllt. Man kann den Wein nicht transportieren, da er viel Kohlensäure enthält und die Flaschen explodieren würden, würde man sie verschließen. Der Wein schmeckt interessant, nicht schlecht, und ist etwas stärker als gewöhnlicher Wein.
David gab uns also diesen Wein, womöglich in der Hoffnung, mich etwas zu beschwipsen.
Als die Flasche geleert und sein Mut etwas gestiegen war, bat er mich nochmal, zu zweit mit ihm zu sprechen, und Emma und Raph, die das unheimlich lustig fanden, entfernten sich.
Und dann kam die Frage aller Fragen:
Hast du einen Freund? Ihm von "meinem Verlobten" in Österreich zu erzählen, hielt ihn nicht davon ab, mir seine Liebezu gestehen und mir die nächste Frage zu stellen, ob ich ihm nicht den Gefallen einer "Erfahrung" mit einer weißen Frau zu machen täte, denn er hätte noch nie mit einer Europäerin geschlafen. Dass ich das nicht wollte, war nicht von Belang, denn ER LIEBTE MICH, wo also das Problem? Das Gespräch endete mit einer Standpauke meinerseits und der Frage, ob er mich zumindest küssen könnte. Das traurige an dieser Geschichte ist, dass es einfach viel zu viele Weiße gibt, die tatsächlich der Beach Boys wegen an die Küste kommen. Das resultiert darin, dass viele junge Männer keine Schulausbildung machen, sondern sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, diesen Frauen das Geld aus der Tasche zu ziehen. Recht viel Unterschied zu Prostitution seh ich darin nicht.

Die restlichen sechs Tage verbrachten wir in Nyali Beach, in einem echt coolen Backpackers, dort konnte man sich richtig zuhause fühlen. Es war schön, einfach nichts zu machen, am Strand zu liegen und zu lesen.
Die Stadt Mombasa ist nett, die Sehenswürdigkeiten sind in einem Halbtag abgehakt, die Atmosphäre ist aber toll und es ist sehr schön und entspannend, nicht permanent "Mzungu" gerufen zu werden. Man merkt schon, dass die Leute mehr an Touristen gewöhnt sind.

Einen Tag verbrachten wir in Kilifi, ein Stunde von Mombasa, dort ist es ähnlich schön wie in Mtwapa, wir hätten gerne noch ein paar Tage dort verbracht.
Ein schöner, entspannter Urlaub mit den richtigen Menschen, ich bin froh, so tolle Reisepartner gefunden zu haben!