Dienstag, 7. Januar 2014

Feldarbeit und Trinkwasserstreit

Heim von Mombasa ging's gleich wieder an die Arbeit. Es hatte die Woche davor endlich wieder geregnet und die Bedingungen waren gut, Gemüse zu pflanzen. So verwandelten wir den Boden in Gemüsebeete und waren zwei Wochen lang mit Umgraben und Pflanzen beschäftigt. Meine zarten Europäerhändchen waren das Ackern mit der Jembe nicht gewohnt und so bildeten sich nach kurzer Zeit blutige Blasen an. Doch auch die anderen hatten mit Blasen zu kämpfen, das ließ mich weniger "Mzungu kann keine Arbeit machen"-mäßig fühlen.
Nun haben wir eine große Zahl an Feldern auf unserem Compound, mit Mais, Sukumawiki, Managu, Kunde, Zwiebeln, Tomaten, Avocados, Kohl. Das ist richtig toll, da wir so weniger von Spenden abhängig sind und auch aus dem Eigenanbau leben können.
Feldarbeit macht unheimlich Spaß, da weiß man, warum man am Abend müde ist, und es ist eine Arbeit, die man in dieser Form zuhause nicht mehr macht, da es ja Traktoren gibt.

Was mich etwas verwundert oder manchmal auch nervt, ist, wie mein Verhalten Erstaunen bei den Kenianern auslöst. Eine Weiße am Feld, das war sowieso die Attraktion schlechthin, Leute im Vorbeigehen konnten gar nicht genug starren, doch selbst im Centre waren sie zu Anfang nicht ganz sicher, ob ich das jetzt ernst meine, dass ich eine Jembe haben und mitmachen will.
Oder dass ich Wasser aus dem Brunnen schöpfe/Wasser pumpe und dann zu den Feldern trage, um die Pflanzen zu wässern. Dass ich jeden Tag gemeinsam mit den Kindern esse, dass ich bei den Mädchen oben schlafe, dass ich dasselbe Wasser trinke, dass ich halt alles genauso mache, wie sie.
Ich verstehe es nicht ganz, denn deswegen bin ich ja hier.
Und ich schöpfe gerne Wasser, ich wasche gerne mit der Hand, ich lebe gerne so, da weiß man wirklich, woher das kommt, was man benutzt, man verschwendet weniger, man braucht seine eingene Energie. Es ist logischer. Viel logischer.

Ein paar Tage nach meiner Rückkehr von Mombasa begann Trockenheit die Stadt zu plagen. Der permanente Wind beschleunigte den Prozess und so versiegte das Leitungswasser bald, das hier trinkbar ist. Das brachte ein sehr essentielles Problem mit sich, denn jeder hatte zwar vorsorglich Wasservorräte angelegt, doch sollte die Trockenheit lange anhalten, würden die Leute gezwungen sein, entweder das Brunnenwasser zu trinken, oder welches zu kaufen. Das Brunnenwasser ist launisch, mal kann man es problemlos konsumieren, mal stellt es lustige Dinge mit Bauch und Haut an. Nicht weniger der Kinder hatten plötzlich mit Hautausschlag und Bauchschmerzen zu kämpfen.
In solchen Zeiten zeigen sich dann auch die nicht so schönen Seiten der Menschen.
Was ich bis jetzt hier erlebt habe, gibt es zwei Sorten Mensch hier - die, die geben, obwohl sie selbst fast nichts haben, und die, die die Worte Loyalität und Unterstützung offensichtlich nicht kennen.
So wurde während dieser Trockenheit gutes Trinkwasser von gewissen Personen zum Blumenspritzen verwendet, um die Möglichkeit, nach Wasser gefragt zu werden, zu umgehen. Neben dem Fakt, dass dieses Wasser dem ganzen Rescue Centre zugänglich sein sollte, ist der Grundgedanke einfach falsch und scheußlich, braucht eine Einzelperson doch auch keine 5000 Liter Wasser für sich. Das machte mich unheimlich wütend und ich konnte diesem gierigen Menschen nicht einmal mehr in die Augen sehen.
Aus diesem Grund und auch, weil ich mich seit Mombasa ein wenig verloren und einsam in meinem großen Raum fühlte, zog ich kurzerhand zu Mercy, die hier so ziemlich meine beste Freundin ist.

Es war sehr schön, wieder mit jemandem zusammenzuleben, und mit Mercy fühlte es sich so an, als wär es nie anders gewesen. Es ist wunderbar, am Abend auf dem Sofa zu gammeln, fürchterlich schlechte mexikanische Soaps, die man nichtsdestotrotz jeden Abend verfolgen muss, anzusehen und Blödsinn zu reden.
Jeden Tag um halb sechs aufzustehen und mich um Brolin, der am 19. Jänner zwei Jahre alt wird, zu kümmern, während Mercy draußen wäscht, nahm ich dafür gerne in Kauf.
Ich war um diese Zeit wieder von Müdigkeit und Erschöpfung befangen, die interessanterweise nur dann verschwand, wenn ich auf dem Feld arbeitete oder Wasser zu den Feldern brachte.
Wie müde ich tatsächlich war, zeigte sich, als ich eines Morgens nicht selber aufwachte, und Mercy mich auch nicht weckte, und so bis halb zwölf durchschlief.
Was diese Erschöpfung auslöst ist mir nicht klar, es ist allerdings echt ärgerlich, da man immer nur halbwach dahinvegitiert und sich nicht zu hundert Prozent in eine Sache hängen kann. Natürlich, die Arbeit ist irgendwie anstrengend, die Kinder brauchen immer Aufmerksamkeit, und da ich im Projekt lebe, gibt es keine wirkliche Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, und auch an den Wochenenden bin ich mit den Kindern zusammen, sofern ich nicht unterwegs bin. Aber trotzdem hab ich das Gefühl, eigentlich viel mehr machen zu müssen, um wirklich so müde sein zu dürfen.

Eine Woche vor Weihnachten kam ein neuer Junge ins Rescue Centre, Peter. Peter ist neun Jahre alt und vollkommen unterernährt, weiters hat er ein Alkoholproblem. Seine Eltern sind beide Alkoholiker, die zuhause selber Alkohol brauen und den Kindern einzig die Sedimente dieses "Local Brew" als Nahrung vorsetzten. Peter hielt es vier Tage in dem Rescue Centre, bevor er durch ein Loch im Zaun schlüpfte und verschwand. Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall. Meist sind diejenigen, die die meiste Hilfe bräuchten, auch die, die nach kurzer Zeit wieder aus dem Centre weglaufen.
Ich weiß nicht, ob ich es gut finde, wie leicht es mir mittlerweile fällt, diese Schicksale nicht an mich heranzulassen, allerdings ist diese Distanz notwendig, um nicht permanent schlecht drauf zu sein. Manche würden es vielleicht auch als "Professionalität" bezeichnen, dessen bin ich mir aber auch nicht so sicher.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen