Sonntag, 30. März 2014

Schwarz-Weiß

Eine anstrengende Woche liegt hinter mir. Von Montag bis Samstag war ich von 8-18 Uhr verfügbar und bin von A nach B und Y nach Z gerannt. Das gab mir wieder das Gefühl, sinnvolle Arbeit zu machen können. War ich eine Zeit lang wieder einfach nur müde, war ich nun zu beschäftigt, um das noch wahrzunehmen. Mein Körper reagiert auf die körperliche Arbeit und die viele Bewegung, vieles fällt mir sehr viel leichter als noch vor ein paar Monaten. Als ich hierher kam, hätte ich nie eineinhalb Stunden ohne Unterbrechung ein Feld umgraben können und danach noch am Hühnersatall weiterbauen. Habe ich die Zeit, gehe ich zu Fuß in die Stadt, und die Strecke kommt mir nur mehr halb so lang vor wie zu Beginn. Einen kleinen Triumph habe ich am Freitag erlebt.

Ich war in der Stadt, um Futter- und Wasserbehälter sowie Futter für die Hühner zu kaufen. Beladen mit den Trögen bezahlte ich im Agrovet den 20-Kilo-Sack. Der Verkäufer fragte mich, ob mein Auto draußen stünde und wollte mit den Sack ins dorthin tragen. Ich verneinte und bat ihn, mir den Sack auf den Kopf zu geben, damit ich zur Matatu-Stage gehen kann. Daraufhin erntete ich nur einen skeptischen Blick, sodass ich den Sack selber auf meinen Kopf hob und meines Weges ging. Nicht wenigen Leuten auf der Straße hing die Kinnlade herunter, als sie da ein weißes Mädchen mit einem Futtersack auf dem Kopf und Sackerln in beiden Händen durch die Stadt maschieren sahen. Dasselbe wiederholte sich, als ich aus dem Matatu ausstieg und dem Conductor sagte, er solle mir den Sack auf den Kopf heben. Auch auf meinem Weg vorbei an Chicago erntete ich erstaunte Blicke. Als ich das Centre betrat, waren die Reaktionen nicht anders, was mich ein wenig ärgerte, da ich in den letzten sieben Monaten wirklich mehr als einmal bewiesen habe, dass ich mir nicht zu schade für körperliche Arbeit bin, und dass ich diese auch sehr wohl verrichten kann, obwohl ich weiß bin. Dann jedoch kam Maggieauf mich zu, und sie konnte sich vor Lachen kaum halten, und dann sagte sie:
"You REALLY are like us. The only difference is the skin colour."
Und das war Balsam für meine Seele. Es hatte siebeneinhalb Monate gedauert, aber jetzt, endlich, hatte eine Person begriffen, was ich seit meiner Ankunft hier beweisen will. Dass wir alle Menschen sind, und dass unsere größte Differenz die Farbe der Haut ist. Das ist für viele oft nicht verständlich. Man glaubt, in Europa leben keine Menschen auf der Straße, niemand ist arbeitslos, alle sind reich und keiner muss hart für sein Geld arbeiten. Ich weiß, dass unsere Armut verglichen mit der in Afrika in keiner Relation steht, aber den Westen als Paradies hinzustellen, ist enfach grundlegend falsch. Und ich hasse dieses Vorurteil, dass Leute, nur weil sie weiß sind, keine Arbeit machen können.
Einige Zeit zurück wollten wir ein paar Säcke Sägespäne holen, so gingen wir los, sechs Leute, sechs Säcke zum Füllen. Die Säcke gefüllt, wurde ich nach meinem Auto gefragt, und ich sagte, wir würden zurückgehen. Daraufhin stellte eine Mitarbeiterin fest: "You can't carry this, it's too heavy for a Mzungu." Sie machte sehr große Augen, als mir Samuel den Sack auf die Schultern lud und wir uns von dannen machten. Die gut 30kg machten sich nach zwanzig Minuten schön langsam bemerkbar, die Kommentare unterwegs (von "Don't mistreat a Mzungu like this!" bis hin zu "My God I think I'm dreaming!") waren aber allenfalls Ansporn genug, mit den Jungs Schritt zu halten und der Versuchung, den Sack abzuladen, zu widerstehen.

Nach dieser Woche allerdings, da sie mich Lasten auf meinem Kopf tragen haben sehen, da ich stundenlang am Hühnerstall herumgehämmert habe, da ich unermüdlich das Feld umgegraben habe (dass ich das im Dezember auch gemacht habe, ist schon lange vergessen), habe ich das Gefühl, endlich auch in dieser Hinsicht Respekt gezollt zu bekommen. Sie behandeln mich als eine Gleiche und wollen mir nicht alle Arbeit sofort wieder abnehmen, ich bin eine der Ihren. Das ist ein sehr gutes Gefühl.

Donnerstag, 27. März 2014

Ein Tag

Was tu ich so an einem Tag? Mehr oder weniger viel! Hier mein heutiger:

Mein Wecker klingelt um 5:45. Gekonnt finden meine Finger die Off-Taste und schalten somit auch die Schlummer-Funktion aus, ohne mich dabei aufzuwecken. Eine weitere Dreiviertelstunde süßen Schlafes, bis sich um Punkt 6:38 meine Augen von selber öffnen. Nun liegt es an mir und meinem eisernen Willen, ob gleich aufzustehen oder nicht. Spätestens nachdem Kathies Wecker um 7:00 geläutet hat, quäle ich mich aus dem Bett und suche zuerst mal einen dicken Sweater, weil es morgens schweinekalt ist. Im Bad verfluche ich den fast leeren Eimer, der mit Schmutzwasser zum Spülen der Toilette gefüllt ist. Nachdem ich im Bad fertig bin, mache ich mich daran, das Geschirr abzuwaschen, das ich am Abend stehen lassen habe. Mit klammen Fingern spüle ich mit dem eiskalten Wasser und ärgere mich über meine Faulheit am Vortag. Als ich frisches Wasser aus dem Kanister nachfüllen will, geht wie jeden Tag die Hälfte auf den Boden. Hatte ich am Vortag die Motivation, Milch zu kaufen, koche ich Tee, im Moment Masala Chai mit viel Tangawizi (getrockneter Ingwer). Im Idealfall dazu noch ein Mandazi.
Um 8, heute bin ich etwas spät dran, verlasse ich das Haus und geselle mich zu den Kindern. Beim Betreten des Büros habe ich sofort die Ehre eines Vortrags unseres allseits geliebten Herrn Arap Too, der heute wieder die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat. So verlasse ich das Büro schnell wieder und mache meine Halskette, die ich vor über einer Woche begonnen habe, endlich fertig. Danach laufe ich noch einmal zum Haus, ich habe mein Kopftuch vergessen. Während ich um 9:00 den Hügel zu unserem Maisfeld raufsteige, binde ich es mir fest um den Kopf, damit ich mir nach getaner Arbeit nicht wieder Kiloweise Erde aus den Haare fitzeln muss. Haare waschen ist gerade nicht so lustig, da wir kein Wasser haben.
Eineinhalb Stunde reiße ich mit einer Jembe tiefe Wunden in die Erde, um das Maisfeld umzuackern. Danach sind die Blasen vom Vortag offen und brennen, und außerdem hab ich Mwangi versprochen, ihm bei der Ferigstellung des Hühnerstalles zu helfen. Also geh ich wieder runter, direkt zum Hühnerstall, bei meinem Tatendrang brauche ich keine Pause. Die Sonne hat mittlerweile ihre volle Kraft erreicht und brennt erbarmungslos vom Himmel. Sonnenbrand schleicht sich auf leisen Sohlen von hinten heran. Als ich die Gefahr bemerke und mich eincreme, hat er schon meinen Rücken und mein Dekolletee erobert. Naja, hilft ja nix, der Hühnerstall muss fertigwerden, heute kommen endlich die Hühner. Wie immer stellen sich unsere Vorhaben nicht so einfach heraus wie gedacht, doch mit Kreativität und Einfallsreichtum gelingt alles. Ich arbeite echt gerne mit Mwangi zusammen. Eine halbe Stunde Pause gönne ich mir zu Mittag, in der ich Wasser schöpfen gehe. Denn wie gesagt, kein Wasser im Haus. Dreißig Liter später mache ich mich auf zurück zum Hühnerstall. Ich spüre, dass ich heute schon viel getan habe und die Kinder, die mir entgegenlaufen, sind doppelt so schwer wie normal. Weiter geht's, bis halb vier. Dann bin ich alle. Also rauf zu Mercy, nach einem Glas Wasser und Hilfe beim Aufräumen fragen. Im Haus keine Mercy, nur ihre Schwester Sarah, die draufkommt, dass sie Steffi vom Kindergarten abholen muss. Also keine Hilfe beim Aufräumen, stattdessen ein Brolin zum Aufpassen. Wieder aufstehen, das Haus verschließen, Brolin nehmen und ein paar Kinder zusammentrommeln. Nach zwanzig Minuten seht die Umgebung des Hühnerstalls nicht mehr wie ein Schlachtfeld aus. Und da kommt auch Sarah und nimmt mir Brolin ab. Ausruhen! Ausruhen? Neeeh! Die Kinder wollen ihre Perlen. Also flüchte ich mich ins Haus, ich habe sowohl Erde am ganzen Körper als auch Sägespäne in der Unterwäsche. Jetzt bin ich froh, dass ich die Mittagspause zum Wasserholen genutzt habe. Es ist halb fünf, und ich bitte Mercy, mir Obst aus der Stadt mitzubringen. Nachdem ich mich gewaschen habe, kommt mein Obst. Drei Mangos für 50 Shilling (weniger als 50Cent) und eine Ananas zum selben Preis. Wieder rauf ins Büro, die Hühner sollen bald kommen. Das tun sie dann schließlich um halb sieben. Aber nur fünf der elf sind da, wieso sollte auch irgendwann einmal etwas nach Plan laufen? Schon während der Fahrt hat eines ein Ei gelegt, ein anderes kommt, während wir die Hühner an den Beinen nehmen und kopfüber in den Hühnerstall tragen. Ich werte das als gutes Omen, auch wenn das Ei hinunterfällt und zerbricht.
Danach geh ich rauf zu Mercy. Hab echt keine Lust zu kochen, und wenn ich Glück habe, gibt's sogar Eier oder Fleisch.
Richtig müde strecke ich mich auf dem Sofa aus, doch Steffi lässt das nicht zu, sie will spielen. Nicht heute, nimechoka sana! Der Strom fällt aus und alle hoffen inständig, er ist bin zu La Patrona, unserer Soap, wieder zurück. Ist er, und wir schauen, und essen (es gibt Eier!) - ich esse für zwei, weil ich das Mittagessen ausgelassen habe, und meine Augenlider werden immer schwerer. Also geht's heute schon um halb neun nachhause. Während des Hinuntergehens mache ich meine To-Do-Liste, die immer länger wird, da ich nur die Hälfte meiner Punkte an einem Tag abarbeiten kann meistens. Also, in der Früh aufs Maisfeld, danach den Hühnerstall noch vollkommen fertigstellen, danach in die Stadt, Hühnerfutter kaufen, Fotos entwickeln, DVD kaufen, nach einem Schulbuch sehen. Zurück, schauen, wie alles läuft, mittagessen, auf den Markt mit ein paar Kindern, wieder ins Centre, Betty zeigen, wie man die Halskette macht, die ich heute fertiggestellt habe. Und Palatschinken wollte ich eingentlich auch machen.
Dass ich das niemals schaffe, weiß ich jetzt schon.
Ich öffne die Tür zu unserem Compound und gehe über das leicht feuchte Gras auf unser Haus zu. Gleich bin ich daheim.

Mittwoch, 26. März 2014

Welten

Nach einer Woche mieser Laune ging es wieder bergauf, und zwar steil. War es die Unterstützung, die ich immer und immer wieder von Österreich bekomme und das Vertrauen, das mir die Menschen schenken und das ich sehr schätze, oder die Tatsache, dass man manchmal lange warten muss, bis die Früchte seiner Arbeit sichtbar werden.

Mit Raph bin ich zum Kerio Valley gefahren, das nicht weit von Eldoret liegt und mit atemberaubender Schönheit prahlt. Das Great Rift Valley ist ein Graben, der sich durch ganz Ostafrika zieht und somit auch den Westen Kenias mit dieser klaffenden grünen Wunde ziert. Dieser Ausflug hat die Reiselust in mir wieder geweckt, und man muss gar nicht weit fahren, da Eldoret eigentlich ein idealer Ausgangsort für Reisen ist.

Wir haben im Centre einen neuen Jungen bekommen, der uns alle fordert. Er ist um die vier oder fünf Jahre alt und legt ein sehr eigenes Verhalten an den Tag. Ob das einer psychischen Störung obliegt und ob diese angeboren oder durch traumatisierende Erlebnisse aufgetreten ist, darüber wird gerade viel diskutiert. Der Name des Jungen ist nicht ganz sicher, da wir nicht wissen, ob wir ihn richtig verstehen.
Er ist intelligent und weiß, welches Verhalten angebracht ist und welches nicht. Er versteht sich nicht sehr gut mit den anderen Kindern und streunt am liebsten im Büro der Sozialarbeiter herum. Wenn man ihn dazu bringen will, irgendwohin zu gehen, beginnt er zu schreien, bekommt plötzlich fürchterliche Angst und läuft weg. Sobald man ihm seine Freiheit zu nehmen scheint, bekommt er Panik. Er kann nicht in die Vorschule, da er es nicht aushält, in diesem Raum zu bleiben. Sobald man ihn hineinbringt, beginnt er zu schreien, und er hört erst auf, wenn er wieder draußen. Schon zweimal hat er mich mit Steinen beworfen, als ich ihm etwas nicht gegeben habe, und er weiß selber sehr genau, dass das nicht richtig ist.
Er stellt uns vor ein Rätsel, da hier keiner dazu ausgebildet ist, sich mit Kindern mit speziellen Bedürfnissen zu befassen. Oftmals finde ich das Verhalten der Kollegen allerdings unangebracht, da ich nicht viel Sinn darin sehe, ein schon verängstigtes Kind mit Drohungen noch mehr zu verschrecken.
Aber was Kindererziehung, ob nun speziell oder nicht, betrifft, geht meine Meinung mit der einiger hier sowieso sehr auseinander.

Wie sehr ich mich hier wohlfühle macht mir manchmal fast Angst. Ich liebe es, durch die Nachbarschaft zu streifen und die Eindrücke aufzusaugen. Beim Chapati-Mann zu stoppen und ein Chapati für 10 Cent zu kaufen. Oder bei der Tip Top Dairy "das Übliche" für den Abend zu holen. Ein kurzer Tratsch mit der Gemüsefrau, nach deren Namen ich permanent zu fragen vergesse. In die verschiedenen Estates zu gehen ist wie von einer Welt in die nächste zu schlüpfen.
Mwanzo ist verwinkelt und mit vielen Wegen, Abkürzungen, Unabkürzungen, Sackgassen. Geht man seinen Weg, sieht alles verschlossen, abgewendet aus, doch dann plötzlich öffnet sich die Gasse zu einem kleinen Platz voller Leben. Durch einen fehlenden Ziegelstein oder ein Fenster in der Mauer blickt man in die Höfe der Häuserreihen. Eine Häuserreihe teilt sich in drei bis sieben Ein- oder Zweiraumwohnungen, und zwei dieser Reihen wenden sich einander zu. In dem Raum dazwischen hängt die Wäsche, spielen die Kinder, unterhalten sich die Mütter und Hausmädchen.
Von oben sieht Mwanzo ein wenig aus wie eine orientalische Stadt, nur ohne prunkvolle Moscheen. Man kann das Estate leicht von oben überblicken, da die meisten Häuser nur ein Erdgeschoss haben. Darauf Rauchfänge, Fernsehantennen und ein heilloses Stromkabelgewirr. Die sandige Farbe der Gebäude und der Staub komplettiert das Bild. Manchmal geh ich auch gerne in einen Innenhof und spähe in leerstehende Wohnungen. Und schon beginnen sich Möbel, die ich beim Schreiner nebenan kaufen würde, natürlich nicht ohne erbarmungslos gehandelt zu haben, selber an die richtigen Plätze zu schieben und ich erträume mir mein Leben in dieser kleinen Wohnung für 35€ pro Monat. Dann würd ich mir jeden Tag ein Chapati vom Chapati-Mann kaufen und die Tip Top Dairy wäre auch nicht weit entfernt. Vor der Haustüre würde ich die Kohle für meinen Jiko ausbreiten und in der Sonne trocknen, gleich daneben ein paar Blümchen pflanzen. Und wenn uns ein plötzlicher Schauer überrascht, würde die Nachbarin die Wäsche für mich abhängen. Von draußen würde ein "Hodi?" ertönen und mit einem "Karibu!" lüde ich den unangemeldeten Besuch in mein Haus ein.
Dann reißt mich ein Geräusch aus dem Tagtraum und ich mache mich aus dem Staub, denn Leute sehen mich schon seltsam an, was drückt sich ein Mzungu hier die Nase an einem Fenster platt?

Kamukunji ist arm. Sehr arm. Hier sind die Häuserreihen nicht aus Stein, sondern aus Lehm. Hier gehe ich nicht sehr oft alleine herum. Es ist unvergleichbar schmutziger als in Mwanzo und es stinkt. Aber man bekommt billiges Gemüse. Hier wird mir viel nachgerufen und ich treffe manchmal Straßenkinder, die mal im Rescue Centre waren und wieder weggelaufen sind. Die Armut ist allgegenwärtig. In Mwanzo hängt so manches Tor zu einem Hof schief in den Angeln, hier gibt es keine Tore. Das Abwasser würzt die Abendluft und während der Regenzeit ist ohne Gummistiefel nicht an Hinausgehen zu denken.

Huruma. Huruma wächst. Huruma hat Zeigelhäuser und Lehmhäuser. Mwanzo ist schon gedrängt und zusammengestoppelt, aber kann nicht mit der explosionsartigen Vergrößerung dieses Estates mithalten. Die Häuser ploppen irgendwie und irgendwo aus dem Boden. Hier gibt es einfach ALLES. Und Huruma ist günstig. Huruma hat ein Spital. Huruma hat eine große Primary School. Huruma ist sein eigenes kleines Städtchen für sich. Bewegt man sich immer weiter in das Estate hinein, wird das Leben elender, und der Gestank der Schweine, des Abwassers und des lokalen Gebräus treibt einem Tränen in die Augen und lässt den Kopf schwummrig werden. Die Häuser sind aus Lehm und Erde und oft abrissreif, dennoch werden sie von Menschen belebt. Dennoch mag ich Huruma. Es hat trotz allem diesen Lebensgeist in sich, es ist ständig in Bewegung.

Kidiwa ist geplant, hier stehen einzelne Häuser in Reih und Glied, keines hängt mit dem anderen zusammen. Zwischen den Häusern wächst Gras und alles ist geordnet. Ein Haus in Kidiwa oder U E zu bekommen, ist praktisch unmöglich. Die Besitzer wechseln nicht sehr oft, und wenn, dann bleibt das Haus doch zumindest in derselben Verwandtschaft. Es sind Orte zum Leben, aber die Orte selber sprühen nicht so vor Leben wie die oben beschriebenen. Das bunte Durcheinander wird durch System und Organisation ersetzt.

Damit beschließe ich diesen Eintrag, da die Blasen an meinen Händen zu brennen beginnen. An das Beackern der Felder werden sie sich wohl noch länger nicht gewöhnen. Schön, dass noch ein Haufen Arbeit vor uns liegt.

Mittwoch, 12. März 2014

Visum und Frust

Das gesamte Monat Januar wurde von einem eizigen Problem überschattet: meinem Visum.

Unsere Arbeitserlaubnis, die uns den weiteren Aufenthalt in diesem Land erlauben sollte, war noch nicht da und so wussten wir nicht, ob wir dieses Land vielleicht vorzeitig verlassen müssen. Die Alternativen schienen zu unsicher, feststand, dass wir am 10. Februar raus aus Ostafrika sein müssten, sofern wir kein neues Visum bekämen nicht illegal in diesem Land bleiben wollten. Ob "raus aus Ostafika" nun nach Österreich oder in ein anderes afrikanisches Land heißen sollte, war unklar, jedoch schien die Rückreise nach Kenia mit Ausreise nicht automatisch gewährleistet und war zusätzlich noch ziemlich teuer. Wir wurden von unsere Organisation zu warten geheißen, und dieses Warten und die Ungewissheit war unglaublich zermürbend.

Nach einem halben Jahr abzubrechen und zurück zu kommen, war für mich keine Option. Ich hatte hier so richtig meine Aufgabe gefunden und viele Dinge begonnen, ich wurde  wirklich gebraucht. Außerdem war und bin ich im Kopf einfach darauf eingestellt, hier ein Jahr zu verbringen, und war ganz und gar nicht bereit, Kenia zu verlassen.

Das eigentliche Problem an der ganzen Sache war, dass sich meine Gedanken plötzlich sehr mit Österreich beschäftigten, und das in Kombination mit meinen größer werdenden Problemen, mit der Behandlug hier klarzukommen und dem Frust auf die Regierung, meine Organisation und überhaupt alles, wusste ich plötzlich gar nicht mehr, wohin mit mir.
Wie schon erwähnt, es war einfach zermürbend.

Ich will diesem Abschnitt kein so großes Kapitel widmen, da es sich in letzter Sekunde gerklärt und ich jetzt unbehelligt bis August hierbleiben kann. Die Situation hat jedoch Gedanken ausgepackt und kleine Samen gesät, die langsam keimen und sprießen und zu einem richtigen Halbzeit-Tief heranwachsen sollten.
Schon in der Vorbereitung noch in Österreich sind wir diesen Graphen durchgegangen, dem anscheinend jeder folgt, und der nach der Hälfte des Einsatzes erst mal steil nach unten geht. Obwohl ich mich nicht gerne als so voraussehbar sehe, hat dieser Stimmungsgraph in dieser Hinsicht auch bei mir voll zugetroffen.
Ich war plötzlich müde.
Ich war plötzlich frustriert.
Ich sah plötzlich keinen Sinn mehr in dem, was ich hier tu.
Ich war genervt.
Ich fühlte mich nicht verstanden.

Man wird hier mit Problemem und Herausforderungen konfrontiert, die sehr viel Energie, sehr viel Optimismus und sehr viel Geduld brauchen. Denn so einfach ist es nicht, zu helfen. Über die Gründe, warum, mag man sich streiten, ist es die Mentalität, hat es sich aus dem Fehlverhalten früherer Unterstützer entwickelt, macht man selbst etwas falsch, ist es die Bildung, im Endeffekt steht man dann halt vor dem Problem:
Viele Menschen hier verstehen unter "Hilfe", dass man mit einem Koffer voll Geld bei ihnen vorbeikommt, sie dessen Inhalt verschleudern können, und dann bringt man Nachschub. Um Nachhaltigkeit sicherstellen zu können, braucht man am allermeisten die Kooperation der Menschen, denen geholfen werden soll. Und daran scheitert es leider. Einfache Dinge wie einfach zu uns ins Zentrum zu kommen, um das nächste Vorgehen auszudiskutieren, sind oft nicht möglich. Das tut weh. Ich habe mich irgendwann dabei gefunden, Menschen nachzulaufen, um sie zu überreden, das Schulgedl und die Uniform, die ich für sie bekommen habe, anzunehmen, und selbst dafür waren sie nicht bereit, mich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort zu treffen. Ich habe also beschlossen, diese Menschen aufzugeben und mich auf andere zu konzentrieren, die die Unterstützung auch annehmen. Und das war eine sehr schwer einzugestehende Entscheidung. Ich bin mit einer gewissen Naivität nach Kenia gekommen. Nicht mit der Überzeugung, ich rette die Welt. Oder ich wäre hier eine furchtbar wichtige Person. Aber mit viel Motivation und dem Vorsatz, die Aufgaben, die ich mir gebe, auch zu meistern. Und es hat mich zu Beginn furchtbar gestört, wenn ich von den Sozialarbeitern Aussagen hörte wie "Oh, da kann man nichts machen." und damit war die Sache gegessen. Weil man soll es doch wenigstens PROBIERT haben. Wenn ich mich dahingehend dazu äußerte, wurde das meistens unkommentiert so aufgenommen. Sie haben wohl einfach auf den Moment gewartet, in dem mir plötzlich die Wahrheit an "Da kann man nichts machen." klar wird. Naja, sie wurde mir mittlerweile klar. Ich will versuchen, mich davon nicht so weit desillusionieren zu lassen, keine scheinbar unmöglichen Dinge zu versuchen. Denn jeder noch so kleine Erfolg gibt mir recht. Aber es gab viele Momente, in denen ich mich wie der kleine bedröppelte übereifrige Heini fühlte, der immer wieder umsonst seine Energie und sein Herz in hoffnungslose Fälle steckt.
Außerdem war ich unheimlich genervt davon, dass alles immer so unheimlich lange dauert. Wenn man etwas nicht selber anpackt, kann man sich sicher sein, dass es nicht gemacht wird. Und wenn man delegiert,braucht es strikte Kontrolle, ansonsten muss man sich auf Überraschungen gefasst machen.
Der ganze Frust und das Satthaben führten zu einem mehr oder weniger Ausbruch, in dem ich sehr offen und zu gerade heraus Mitarbeitern diesen Frust ins Gesicht geworfen habe. Das Resultat war die kalte Schulter einer Kollegin, die ich eigentlich sehr gerne habe, für zwei Wochen.

Ja, also das war so mein Problem. Mittlerweile habe ich meinen Optimismus wiedergefunden.