Mittwoch, 23. Oktober 2013

Müdigkeit

Am letzten Abend in Nairobi lernten wir unsere Gasteltern kennen. Bei mir waren Dickson, mein Gastvater und June, meine zukünftige Chefin gekommen. Dickson machte einen etwas ulkigen Eindruck mit seinem braunen Cordanzug und der Schiebermütze. Er begrüßte mich mit den Worten "Hello, my daughter!", was ein klein wenig Widerstand in mir auslöste. Dieses Gefühl wischte ich jedoch sofort energisch beiseite, er versuchte doch nur, nett zu sein und mir das Gefühl zu geben, mich jetzt schon als Familienmitglied anzusehen. Mit June verstand ich mich auf Anhieb gut, was mich enorm erleichterte, da ich auf ein gutes Arbeitsverhältnis hoffen konnte. Der letzte Abend mit den anderen Volontären war sehr nett.
Die sechsstündige Autofahrt nach Eldoret verbrachte ich hauptsächlich schlafend, eine leichte Angeschlagenheit hatte sich schon während der letzten Tage im Camp bemerkbar gemacht, und nun übermannte mich erneut die bleierne Müdigkeit, die mich auch am Tag meiner Ankunft in Nairobi fest im Griff hatte. Ich denke, es war hauptsächlich die ständige Veränderung. So war ich froh, endlich mein wirkliches Ziel zu erreichen, um dort etwas Energie schöpfen zu können.
Ich weiß nicht mehr, was in mir vorgegangen ist, als wir Eldoret erreichten. Wir setzten June ab, sie wohnt zusammen mit ihrer Tochter in einem Haus, das sie von ihrem Großvater geerbt hat. Etwas befremdlich war die Größe all dieser Häuser dort. Große, zweigeschoßige Häuser und Bungalows gewöhnt, fand ich es fast übertrieben, diese Bauten "Häuser" zu nennen. Ein ganzes Haus war hier flächenmäßig ungefähr mit der Größe unseres Wohnzimmers zu vergleichen, und es erinnerte mich eher an eine Gartenhütte. Doch immerhin, die Häuser waren gemauert udn schienen eine feste Basis zu haben.
Dann erreichten wir das Haus, in dem sich die Wohnung meiner Gasteltern befindet. Es ist eine nette Wohngegend in einem Vorort von Eldoret, er heißt "Mwanzo".
Rundherum schießen die Häuser aus dem Boden, in der Zeit, in der ich bisher hier war, wurden zwei Wohnhäuser fertiggestellt.

Die Wohnung besteht aus einem Wohnzimmer, einer Küche und zwei Schlafzimmern mit jeweils einem Bad (Toilette und Duschkopf). Das klingt grundsätzlich ja gar nicht so schlecht, und zu Beginn war ich auch sehr erleichtert über meine doch ziemlich komfortable Wohnsituation. Dass alles etwas beengt war, störte mich zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Da mein Körper in jener dritten Woche jegliches Essen ziemlich unverzüglich nach dem Verzehr wieder verabschiedete, begab ich mich ohne Abendessen sofort ins Bett und schlief 14 Stunden durch. Am nächsten Tag fühlte ich mich jedoch nicht wirklich viel wacher, und meine Verdauungsprobleme zehrten zusätzlich an meinen Kräften.
Meine Gastmutter schien sehr nett zu sein, war jedoch um einiges reservierter als mein Gastvater, dessen überwältigende Liebe für seine neue Tochter oft viel zu viel war.
Die erste Woche waren meine Gastgeschwister bei ihren Großeltern in Kitale, einer Stadt westlich von Kenia, was mir Zeit bot, mich hier etwas einzugewöhnen.

Der erste Arbeitstag war vor allem eines: anstrengend. Ich war gesundheitlich nicht wirklich auf dem höchsten Stand und befand mich in einem Zustand der totalen Reizüberflutung. Alles war neu und anders und ungewohnt und alles überwältigte mich. Mein Kopf war ein einziges Bimmeln und Sausen, und ich versuchte, mich irgendwie in diesem Dröhnen einer neuen Welt zurechtzufinden.
An den ersten Tagen fiel mir noch der Geruch auf, den manche Kinder hatten. Sehr direkt gesagt, sie stinken. Das hat dann doch am Beginn dazu geführt, mich etwas zu ekeln, wenn sich die Kinder an mich gekuschelt haben. Am dritten Tag jedoch war das schon vergessen und mittlerweile fällt es mir überhaupt nicht mehr auf.
Das alles dominierende Gefühl dieser ersten Woche war Müdigkeit.
Ich konnte kaum einen Namen behalten und die Kinder sahen für mich alle gleich aus. Ich redete wenig und musste mich oft wirklich bemühen, nicht im Sitzen einzuschlafen. Eines der Mädchen im Rescue Centre, Winnie, war mir in dieser ersten Woche eine große Hilfe. Mit ihr konnte ich mich wortlos beschäftigen, und sie überschüttete mich mit einer Zuneigung, die mich fassungslos machte.
Ich war in dieser ersten Woche sehr nahe am Wasser gebaut und fühlte wegen der kleinsten Dinge die Tränen hochkommen.
  Samuel, einer der Straßenjungen im Projekt, nahm sich in dieser ersten Woche meiner an und zeigte mir die Umgebung des Projekts und die Satdt ein wenig. Grundsätzlich war jeder sehr hilfsbereit und ich fühlte mich sofort von den Kindern akzeptiert und angenommen. Auch mit den Mitarbeitern verstand ich mich eigentlich vom ersten Tag an gut.
Wessen ich mich nicht erwehren konnte, war eine misstrauische Grundhaltung gegenüber jedem Menschen, dem ich begegnete. Ich weiß nicht, warum ich dieses Verhalten an den Tag legte, war es Selbstschutz, oder wurde mir einfach zu oft eingebläut, vorsichtig zu sein. Es gab jedenfalls wenige Menschen, denen ich zu Beginn Vertrauen schenkte.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen