Sonntag, 10. November 2013

Bröckeln

Als ich von Migori heimkam, merkte ich schon, wie die kleine Blase, in die ich mich zurückgezogen und mir eine schöne Welt eigeredet hatte, plötzlich kleine Löcher bekam. Der Schutzwall begann zu bröckeln. Hatte ich bis jetzt der Tragik der verschiedenen Schicksale meiner Kinder im Rescue Centre tapfer standgehalten, begannen dei Geschichten nun richtig an mir zu nagen. Ich fühlte mich nicht gut. Ich war traurig, zu hören, was Kinder in einem solchen Alter schon durchmachen mussten und es belastete mich sehr. Das erste Mal seit meiner Ankunft fühlte ich mich etwas alleine und vermisste meine Feunde zuhause so richtig heftig. Mir fehlten die Gespräche, in denen man nicht pausenlos erklären muss, weil die Leute wissen, was man sagen will. Mir fehlten die Ratschläge und die Nähe. Ich hatte schon Freunde hier, aber ein gegenseitiges Verständnis auf dieser tieferen Ebene entwickelt sich nicht von heute auf morgen, und der kulturelle Unterschied verkomplizierte Mensches noch zusätzlich. Auch bemerkte ich, dass meine Intentionen mit denen einiger andere Volontäre ziemlich auseinandergingen. So konnte ich mich bei den einen noch nicht, bei den anderen wollte ich mich nicht öffnen. Ich war genervt und wütend. Die Gefühle summierten sich und drückten immer stärker gegen die Mauer, die mich schützend vor negativen Emotionen umgab.
Das veranlasste mich zum letzten nötigen Schritt, aus diesem Teufelskreis der Unterdrückung von Gefühlen und Erschöpfung auszubrechen, und fragte June, die Direktorin im Projekt, ob ich nicht im Projekt wohnen könne. Die Antwort war ein so selbstverständliches "Ja sicher!", dass ich mich fragte, was mich so lange zögern hatte lassen.
Ich hatte lange gebraucht, mich zu dieser Frage durchzuringen und so fiel mir nicht nur ein Stein, aber ein ganzer Berg vom Herzen und es fühlte sich an, als würde eine riesige Last von meinen Schultern genommen.

Nach dem kleinen Tief am Montag hatte ich mich Tags darauf auch meinen Mitarbeitern anvertraut und die Unterstützung und Zustimmung bekommen, die ich gebraucht hatte, um mich zu diesem Schritt durchzuringen. Ich fühlte mich sicher und geborgen in ihrer Gegenwart.

So also war jetzt alles ausgemacht, ich könnte ausziehen und für mich alleine wohnen, im Projekt, mit Menschen, die schon da viel mehr Familie für mich waren als meine Gastfamilie.
Und, als wollte mein Kopf einfach nicht glücklich sein, ging's mir dann auf einmal viel zu schnell und ich fragte mich, ob ich nicht überreagiert hätte. Als ich an diesem Abend heimkam, fand ich alles plötzlich gar nicht mehr so schlimm, eigentlich war es doch ganz nett.
Ich begann, an meinem Entschluss zu zweifeln, bekam ein wenig kalte Füße. So machte ich den endgültigen Auszug abhängig vom Verlauf der nächsten Tage. Ich wa sehr genervt von mir selber, da mir offensichtlich nichts recht war. Und ich hatte ein schlechtes Gewissen meiner Gatsfamilie gegenüber. Ich war einfach gesagt ziemlich scheiße drauf. Aber das Wochenende war im Anmarsch und ich freute mich darauf, Emma zu sehen, da ein gemeinsamer Ausflug mit ICYE nach Konza in den Nationalpark übers Wochenende geplant war.

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