Dienstag, 5. November 2013

Alltag

Als ich von Nairobi heimkam, war es schon dunkel, und nach der angenehmen Anonymität in Nairobi machte mir die geballte Aufmerksamkeit, die mir entgegengebracht wurde, etwas Angst. So war ich sehr froh, als mich mein Gastvater abholte.
Ich hatte in Nairobi Energie geschöpft und war ein wenig ausgeglichener, aber nach ein paar Stunden in der gewohnten Umgebung befiel mich wieder diese gewisse Beklommenheit, die ich immerzu verspürte, sobald ich die kleine Wohnung betrat.
Ich freute mich schon riesig auf die Arbeit am nächsten Tag und hoffte, die Nacht möge schnell vorübergehen.

Kaum das Rescue Centre betreten, stieg eine unheimliche Freude in mir auf und meine Kollegen waren überrascht, mich so aufgedreht zu erleben. Ich war bis dahin eigentlich eher ruhig gewesen und im Hintergrund geblieben.

Dass ich einmal als ruhig und zurückhaltend beschrieben werde, hätte ich mir vor Kenia nicht gedacht. Hier aber war ich aufgrund der vielen neuen Eindrücke permanent mit Schauen und Hören und Überlegen und Verarbeiten beschäftigt. Ich war auch in einer völlig neuen Gesellschaft gelandet, hier hatte nicht ich mir die Leute ausgesucht, mit denen ich etwas mache, und so war ich am Beginn eher verschlossen, da ich nicht wusste, ob und welche dieser Menschen vertrauenswürdig wären. Ich konnte auch an den Gesprächen oft nicht teilnehmen, da meine Kiswahilikenntnisse nicht ausreichend waren, und so schweifte ich oft ab und ließ mich von meinen Gedanken treiben, sobald eine hitzige Diskussion über Politik oder Sekten (die zwei Lieblingsthemen meiner Kollegen) entbrannte. Schnell aber erkannte ich die unglaubliche Gastfreundschaft dieser Menschen und hatte bald meine diversen "Mamis" unter den Sozialarbeiterinnen. So taute ich nach einiger Zeit auf und habe mittlerweile unheimlich gute Freundschaften geschlossen. Auch mit dem Kiswahili wird's immer besser, ich verstehe schon den Großteil der Dinge, die mit mir geredet werden, das Antworten klappt noch nicht so ganz, aber es wird.

Die Woche verging schnell und ohne große Zwischenfälle. Ich fühlte mich nun sicherer im Unterrichten und wusste über den Stand meiner Schüler Bescheid. Ich wurde strenger im Unterricht, da mich die Kinder oft zur Weißglut trieben. Sie hatten erkannt, dass ich ihnen wohl mehr durchgehen lassen würde, als die anderen Lehrer und waren fleißig daran, ihre Grenzen auszutesten, wie Kinder das nun mal so machen. Ordentlich auf den Tisch zu hauen hatte meistens aber eine erstaunlich große Wirkung. Es war verständlicherweise am Beginn nicht so einfach für meine Schüler, zu verstehen, dass ich am Vormittag Disziplin fordernder Lehrer und am Nachmittag blödelnder Spielkamerad bin.

Am Wochenende (19. - 22. September) kam mich Irene besuchen. Wir verbrachten ein paar echt tolle Tage zusammen. Angesteckt von ihrer Begeisterung von Eldoret fing auch ich an, die Stadt viel netter und liebenswürdiger zu finden.
Ich hatte bis dato immer nur kleine Ausflüge in Richtung Stadt gemacht, da meine Gasteltern, wann immer ich etwas brauchte, darauf bestanden, mich mit dem Auto dorthin zu bringen. Oft machte ich mich daher nach der Arbeit noch auf, meine Umgebung etwas zu erkunden, ich kam aber nie recht weit, da ich immer zu Fuß ging und es um 19 Uhr stockfinster ist hier. Die Matatus (Kleinbusse für theoretisch 14 und praktisch 24 Personen - die Afrikaner vollbringen immer wieder kleine Menschenstapel-Wunder) waren mir zu dieser Zeit noch nicht ganz geheuer.
Jetzt aber kam Irene und ich wollte ihr natürlich die Stadt zeigen können, also fasste ich mir ein Herz, und stürzte mich raus aus einem Matatu, das ich mit einem etwas mulmigen Gefühl bestiegen hatte, mitten ins Stadtgetümmel. Schnell wurde mir klar, dass die Orientierung in der Stadt eigentlich sehr einfach ist, und entdeckte viele nette kleine Läden.

Die Woche danach ist in meinen Erinnerungen irgendwie verlorengegangen, sie verging viel zu schnell. Generell erlebte ich immer wieder kleine Erfolge in der Schule und mit den Kindern, ich war nun voll eingebunden in meine Arbeit.

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